Exoskelette sind tragbare Anzüge, die mithilfe von Strom, Akkus, Druckluft, Federungen oder der Verteilung der Gewichtsaufnahme den menschlichen Körper bei schweren Arbeiten und wiederholten Bewegungen stabilisieren und entlasten. Unterschieden wird dabei zwischen aktiven Exoskeletten, die mithilfe einer Stromquelle gepowert werden, und passiven Exoskeletten, die eine Federung besitzen oder die Gewichtsaufnahme anderweitig verteilen.
Obwohl man jetzt womöglich zuerst an riesige, von Menschen gesteuerte Maschinen oder metallische Roboteranzüge mit Flugfunktion denkt, handelt es sich meist um leichte, körperanliegende Geräte. Sie wurden ursprünglich zur Rehabilitation von Menschen mit Bewegungseinschränkungen und für das Militär entwickelt. Doch die heutigen Anwendungsmöglichkeiten sind breit gefächert.
Die Hauptaufgabe von Exoskeletten ist es, Muskel-Skelett-Erkrankungen vorzubeugen. Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin1 sind diese die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Ausfallzeiten und Arbeitsunfähigkeit in Deutschland. Insbesondere im Handel, in der Automobilbranche und in der Warenlogistik können Exoskelette daher Ausfallzeiten reduzieren und dazu beitragen, dass qualifizierte Mitarbeiter länger gesund arbeiten können.
Pneumatische Handschuhe können die Kraftübertragung als Hilfe bei feinmotorischen Arbeiten, zum Beispiel im Kleinteilelager, unterstützen. Andere Exoskelette ermöglichen Werkern das Sitzen ohne Stuhl. Doch das wohl am Weitesten verbreitete Modell sind die rucksackartigen Anzüge, die beim Heben oder Tragen schwerer Gegenstände den Rücken und die unteren Lendenwirbel schonen und das Gewicht beispielsweise über die Hüfte ableiten.
Bis zu 25 Kilogramm können Exoskelette einiger Hersteller stemmen – und auch schwerere Lasten so reduzieren. Bei kleineren Paketen macht dies das Tragen sehr einfach. Größere Lasten werden zumindest leichter. Trotzdem muss der Träger aber noch die eigene Muskelkraft der Arme aufwenden.
In der Logistik kommt vorrangig das Exoskelett als Hebehilfe zum Einsatz. Das Warenmanagement im Lager ist ein Arbeitsplatz, der sich nur schwer automatisieren lässt. Hier werden oft Waren unterschiedlichster Formen und Größen in teils geringen Stückzahlen bewegt. Zudem erfordern die Kommissionierung, Qualitätskontrolle und Verladung ein hohes Maß an Konzentrationsfähigkeit und kleinteiliges Arbeiten. Gleichzeitig führen hierbei eintönige oder belastende Haltungen zu einer schnellen Ermüdung der Mitarbeitenden.
Deshalb testen bereits mehrere Logistikdienstleister in diesem Bereich Exoskelette als körperliche Unterstützung, Präventionsmaßnahme und zur Reduktion von Sicherheitsrisiken. „Die Gesundheit unserer qualifizierten Mitarbeiter ist unser höchstes Gut“, betont Francois-Xavier Goussard, Leiter Methoden und Innovationen in Frankreich bei der Rhenus Gruppe. Der weltweit operierende Logistikdienstleister testete Exoskelette als Hebehilfen 2020 an einem Lagerstandort im französischen Hafen von Valenciennes. „Wir hatten schon länger den Plan, Exoskelette als Unterstützung für unsere Kommissionierer und im Verladebereich zu testen. Aufgrund der Corona-Pandemie und der verschärften Sicherheitsbedingungen für unsere Mitarbeiter haben wir das Exoskelett konkret getestet, um so den Mindestabstand am Arbeitsplatz einhalten zu können.“
Die vollständige Pressemitteilung zum Test der Exoskelette lesen Sie hier!
Exoskelette bieten für den Einsatz in der Logistik viele Vorteile. Doch daneben bestehen Risiken wie eine nichtkorrekte Handhabung und dadurch ausgelöste Arbeitsunfälle. Zudem sind die Exoskelette zurzeit noch nicht serienreif und haben mitunter einen hohen Preis. „Nach unserem ersten Test haben wir uns zunächst dazu entschlossen, den gesamten Prozess an der Kommissionierstation innerhalb des Lagers sowie bei der Lkw-Verladung zu beleuchten und weiterzuentwickeln“, berichtet Goussard. „Dann werden wir den erweiterten Test und die Anschaffung von Exoskeletten ins Auge fassen. Für uns ist die Implementierung der Exoskelette in unserem Lager aber durchaus denkbar.“
In anderen Branchen, wie der Automobilindustrie, gehören Exoskelette bereits zur persönlichen Schutzausrüstung einiger US-Automobilhersteller. Doch Studien, wie die des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML2, sehen neben dem Potenzial für statische Aktivitäten die Notwendigkeit der Anpassung von Tragekomfort und vereinfachter Handhabung durch den Nutzer.
Und wie geht es weiter? Verrichten die Roboteranzüge die Arbeit in ein paar Jahren dann ganz ohne menschlichen Piloten? „Soweit würde ich nicht gehen“, meint Goussard. „Das Exoskelett hilft bei schweren Lasten, aber das Wesentliche an den Aufgaben ist die Kombinationsgabe und das Wissen unserer Mitarbeiter, welches Paket wie, wohin und auf welche Weise platziert, zusammengestellt und verladen werden muss. Wir sind noch weit davon entfernt, dass eine Maschine das im gleichen Maße wie ein erfahrener Lagermitarbeiter kann.“
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