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Podcast
Logistik im Dialog

Robotic Process Automation

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Virtuelle Mitarbeiter*innen unterstützen die Arbeitsprozesse in der Logistik

Immer öfter übernehmen Software-Roboter die Bearbeitung repetitiver Aufgaben. Auch in der Logistik sorgen sie dafür, dass die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine erfolgreich gelingen kann. Im Podcast spricht Marie-Louise Heidbrink, Head of Robotic Process Automation (RPA) bei Rhenus Office Systems und Geschäftsführerin von auto.mates, über die Automatisierung und die Vereinfachung von Arbeitsprozessen. Dabei erklärt sie, welche Aufgaben die Software-Roboter in der Logistik übernehmen können und warum RPA vor allem in den vergangenen Jahren verstärkt zum Einsatz gekommen ist, und gibt einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung dieser Technologie.

Robotic Process Automation (RPA) nimmt in vielen Unternehmen zunehmend einen hohen Stellenwert bei der täglichen Arbeit ein. Allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz war RPA im Jahr 2021 bei 76 Prozent der Unternehmen ein Teil des beruflichen Alltags – Tendenz steigend. Prognosen zeigen, dass der weltweite Markt für RPA bis 2030 voraussichtlich auf über 13 Milliarden US-Dollar anwachsen wird. Das entspricht einem Anstieg von mehr als 12 Milliarden gegenüber 2020. Die Gründe dafür sind vielfältig: Kostensenkung, Qualitätssteigerung oder Mitarbeitendenentlastung sind nur einige davon. Aber auch der aktuelle Fachkräftemangel sorgt dafür, dass immer mehr Unternehmen auf den Einsatz von Software-Robotern vertrauen, denn auch ohne menschliches Personal müssen die anstehenden Aufgaben erledigt werden.

Im Bereich der Logistik kommt RPA vor allem für administrative Aufgaben zum Einsatz, wie beispielsweise bei dem Auslesen von Datensätzen oder der Übermittlung von elektronischen Informationen. „Hier gibt es sehr viele manuelle Prozesse und deswegen auch ein extrem großes Potenzial für Automatisierungslösungen – und damit eben auch für Software-Roboter“, erklärt Marie-Louise Heidbrink im Podcast. Außerdem verrät sie, warum RPA auch bei der Zollabfertigung eine große Rolle spielt und wie Logistikdienstleister die elektronischen Daten ihrer Kund*innen dank RPA ganz einfach und zeitsparend in das eigene Transport-Management-System importieren können.

Hinweis: Den Podcast mit deutschen und englischen Untertiteln finden Sie auch hier.

Podcast
07.09.2022

Logistics People Talk | Episode 11

Marie-Louise Heidbrink spricht über Robotic Process Automation (RPA) und erklärt, warum der Einsatz von Software-Robotern – auch vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels – in der Logistikbranche immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Transkript unserer Podcast-Episode

00:00:02
Andrea Goretzki: Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe von Logistics People Talk, dem offiziellen Rhenus Podcast für alle, die in Sachen Logistik up to date bleiben wollen. Präsentiert von Gwendolyn Dünner und Andrea Goretzki. Heute zu Gast bei uns ist Marie-Louise Heidbrink. Sie ist Head of Robotic Process Automation bei der Rhenus Gruppe und kennt sich bestens mit der Automatisierung und Vereinfachung von Arbeitsprozessen aus. Damit sind wir auch schon mitten in unserem heutigen Thema. Es geht um automatisierte Prozesse in der Logistik und um die Frage, wie die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine erfolgreich gelingen kann.

00:00:39
Gwen Dünner: Hi Marie-Louise, herzlich willkommen und vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, heute bei uns zu sein und uns das Thema Robotic Process Automation oder kurz RPA zu erklären.

00:00:49
Marie-Louise Heidbrink: Vielen Dank für die Einladung. Ich bin froh, dass ich hier sein kann und mit euch das Thema diskutieren darf.

00:00:54
Gwen Dünner: Vielleicht kann sich nicht jeder etwas unter Robotic Process Automation oder RPA vorstellen. Deswegen wollten wir erst mal langsam in das Thema einsteigen. Marie-Louise, was genau bedeutet Robotic Process Automation und was tust du als Head of RPA?

00:01:15
Marie-Louise Heidbrink: RPA steht für Robotic Process Automation. Das ist eine Technologie, die ungefähr in den 2000er-Jahren ins Leben gerufen worden ist. Diese Technologie ist dafür da, um manuelle, repetitive Geschäftsprozesse zu automatisieren. Das sind Prozesse, die immer wiederkehrend sind und bei denen die Aufgaben immer gleich abfolgen, also die immer die gleiche Reihenfolge haben und auf Regeln basieren. Man kennt das vielleicht aus der Informatik, diese klassischen Wenn-dann-Regeln, dass man sagt: Wenn das passiert, dann muss das erfolgen. Diese Technologie baut auf sogenannten Software-Robotern auf. Das sind letztendlich diejenigen, die diese Geschäftsprozesse dann automatisieren und durchführen. Diese Technologie ist, wie schon gesagt, seit den 2000ern schon da. Aber jetzt erst ist sie richtig im Umbruch und passiert da was. Seit den letzten drei, vier Jahren würde ich sagen, dass da richtig Dynamik drin ist und dass da richtig Entwicklung zu sehen ist. Ich als Head of RPA habe quasi eine Doppelrolle: Ich leite das Team und damit auch das Center of Excellence für die Rhenus Gruppe. Das ist so etwas wie eine Nischenabteilung, die sich konkret mit diesem Thema auskennt und das Wissen hat, wie man das angeht und wie man solche Software-Roboter entwickelt. Als Leitung von diesem Center of Excellence betreue ich natürlich hauptsächlich strategische Themen. Es ist sehr dynamisch und es entwickelt sich sehr viel. Das heißt, man muss immer so ein bisschen am Ball bleiben und gucken, dass man auch mit diesen Entwicklungen mitgeht und dranbleibt und das Ganze auch immer implementiert. Dazu gehören solche Themen wie Infrastruktur und Server und Computer, aber natürlich auch Themen wie Marketing und Vertrieb. Darauf kommen wir bestimmt später noch mal zu sprechen. Aber das Thema Roboter ist ja auch nicht immer mit positiven Eindrücken verbunden. Das sind alles Bereiche, die ich als Head of betreue und wo ich strategisch gucke: In welche Richtung entwickeln wir uns? Wo können wir irgendwie noch nachfassen? Wo können wir noch besser werden? Ich habe aber im Team auch noch eine zweite Rolle: Das ist das Thema Prozessberatung, dass ich mit unseren Kunden, ob das jetzt intern, also aus der Rhenus Gruppe, oder auch extern ist, Prozesse aufnehme und mir die anschaue. Also gucke, wie sehen die gerade aus? Was machen die Kollegen gerade, welche Klicks führen die durch, welche Tastatureingaben machen die? Mir anschaue, wie wir den Robo, so nennen wir das, "daraufsetzen" können. Also, dass wir gucken, wie kann der Roboter zukünftig diesen Prozess ausführen? Und ich bereite dann den Prozess für die Entwicklung vor, dass die Kollegen wissen, wie dieser Roboter gebaut sein soll, und gebe den dann wieder in die Fachabteilung zurück.

00:03:47
Andrea Goretzki: Jetzt hast du gerade schon gesagt, in den letzten 3 bis 4 Jahren ist da richtig was im Umbruch gewesen und richtig was passiert. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist es so, dass schon mehr als die Hälfte aller Unternehmen auf RPA-Lösungen beziehungsweise Software-Roboter zur Prozess-Automatisierung setzen. Verschiedenen Studien zufolge ist dieser Bereich sogar der am schnellsten wachsende im globalen Markt für Unternehmenssoftware. Warum ist das so? Warum setzen so viele Unternehmen auf RPA und was wollen die damit erreichen?

00:04:15
Marie-Louise Heidbrink: Also, ich glaube RPA ist aus unterschiedlichsten Faktoren so erfolgreich, weil es die unterschiedlichsten Herausforderungen im Unternehmen adressiert. Wir haben eigentlich 3 Bereiche, wo RPA zum Einsatz kommt und wo es die Lücken füllt. Wir haben auf der einen Seite den klassischen Fachkräftemangel, der natürlich in den unterschiedlichsten Bereichen unterschiedlich ausgeprägt ist. Es ist heute am Markt sehr schwierig, Leute zu finden, weil sie einfach nicht mehr da sind, um die Aufgaben auszuführen, die gemacht werden müssen. Deswegen muss man gucken: Welche Aufgaben können welche Personen in Zukunft machen? Da kommen dann Software Robots zum Einsatz: Dort wo der Workload gleich bleibt, aber es nicht mehr die Menschen am Markt gibt, die diese Aufgaben übernehmen können. Das heißt, man muss gucken, welche Aufgaben sind diese manuellen Aufgaben, die sich wiederholen, die man in Regeln fassen kann, die wirkliche Roboteraufgaben sind. Wir prüfen dann, welche Mitarbeiter noch solche Aufgaben erledigen und ob diese Aufgaben dann von Software Robots übernommen werden können. Der Workload ist heutzutage natürlich der gleiche, vielleicht sogar teilweise noch mehr, aber trotzdem sind nicht mehr so viele Personen da, die diese Aufgaben übernehmen können. Das ist ein Teil, warum RPA so unglaublich erfolgreich ist: Weil Software-Roboter ganze Teile von Prozessen übernehmen können, die heutzutage noch Mitarbeiter machen, damit diese sich zukünftig auf Aufgaben und Themen konzentrieren können, die wirklich wichtig für ein Unternehmen sind. Zum "Fachkräftemangel" kommt die "Generation Z" hinzu. Die Anforderungen an Arbeit haben sich extrem geändert. Wenn heute jemand von der Generation Z ins Unternehmen kommt und man sagt dem: Du darfst den ganzen Tag Dateien von einer Excel-Datei in eine andere Excel-Datei kopieren, dann würden der sehr stark den Sinn hinterfragen und sagen: "Ich möchte aber einen Sinn haben in der Arbeit, die ich mache. Und ich möchte abends nach Hause gehen und sagen, ich habe einen richtigen Impact gemacht und ich habe richtig etwas geleistet." Das heißt, solche einfache Aufgaben müssen wirklich "eliminiert" und von Software-Robotern übernommen werden. Damit Mitarbeiter wirklich Aufgaben machen, die einen Sinn haben und die dem Unternehmen zugleich auch einen Wert bringen und wertschöpfend sind. Das ist also der zweite Teil: dass man guckt, wofür werden wirklich Mitarbeiter gebraucht, wofür man Roboter nicht einsetzen kann? Der dritte Bereich hat auch was mit Fachkräftemangel zu tun: Er ist gerade schon sehr extrem, aber in den letzten Jahren haben wir diesen ja besonders krass im Bereich IT wahrgenommen. IT-Leute zu bekommen ist noch mal schwieriger. Deswegen fahren wir auch innerhalb der Rhenus Gruppe den Ansatz, temporär Aufgaben aus der IT zu übernehmen: Schnittstellen zu schaffen, die von Robotern übernommen werden, weil wir in der Lage sind, solche Software-Roboter innerhalb von 3 bis 5 Tagen zu bauen. Man nennt das dann auch Brückentechnologie. Wir übernehmen sozusagen als Brücke etwas temporär, also zum Beispiel bestimmte Funktionen in Systemen oder das Hochladen von Dokumenten. Langfristig soll so etwas natürlich dann für eine Schnittstelle laufen, dass das wirklich fest programmiert ist. Aber kurzfristig kann so etwas von Software-Robotern übernommen werden. Themen, die gerade nicht übernommen werden können, weil die Leute fehlen, um im Bereich IT etwas zu programmieren, werden dann eben von Software-Robotern übernommen. Das heißt, es gibt drei riesengroße Herausforderungen im Unternehmen und überall da können Software-Roboter eingesetzt werden. Ich glaube, das ist unter anderem der Grund, warum RPA gerade so unglaublich erfolgreich ist und warum gerade so viele Unternehmen darauf setzen.

00:07:59
Andrea Goretzki: Das ist ganz spannend. Du hast gerade gesagt: 3 bis 5 Tage. Das heißt, ihr könnt also wirklich auch sehr schnell entsprechende Lösungen bieten, wenn jemand kommt und sagt, ich habe gerade mal ein Problem.

00:08:10
Marie-Louise Heidbrink: Genau, weil der große Vorteil bei RPA ist, dass die Software-Roboter über die Oberfläche arbeiten. Das heißt, sie arbeiten so wie wir Menschen im System. Sie haben einen ganz normalen Log-in, dann kommt auch diese Log-in-Maske hoch und dann geben sie ihre Daten da ein und dann machen sie auch die Mausklicks in der Maske. Das macht das Ganze so unglaublich einfach und auch so unglaublich schnell. Deswegen können wir, wenn wir wissen, wie die Prozessschritte sind und was gemacht werden muss, so einen Roboter innerhalb von 3 bis 5 Tagen entwickeln. Das ist der große Vorteil, warum es so schnell geht und warum solche Roboter auch häufig als Brückentechnologie eingesetzt werden: Weil es einfach schneller geht im Vergleich zum einem Bau einer konkreten Schnittstelle.

00:08:53
Gwen Dünner: Du hast jetzt viele Vorteile aufgezeigt, die ich auch verstehe und deren Sinn ich auch sehe. Aber es gibt natürlich gibt es auch die Schattenseite. Was alle Unternehmen sehr ernst nehmen, ist die Sicherheit. Wie sieht es da bei den Software-Robotern aus? Können die gehackt werden oder wie wird die Sicherheit der zu behandelnden Daten gewährleistet?

00:09:14
Marie-Louise Heidbrink: Da haben wir eigentlich zwei Themen. Wir haben einmal die Sicherheit hinsichtlich der Frage: Was kann gehackt werden? Und wir haben die Datensicherheit. Das Hacken ist ein sehr komplexes Thema. Tatsächlich, ich bin auch leider kein Hacker.

00:09:26
Andrea Goretzki: (Lachen)

00:09:29
Marie-Louise Heidbrink: Aber wir nennen diese Robots auch sehr gern virtuelle Mitarbeiter, weil sie wie Mitarbeiter arbeiten, aber eben virtuell sind. Das heißt, sie haben auch - das ist jetzt ein bisschen fachspezifisch - einen ganz normalen AD-Account, also sie arbeiten im Active Directory und sind genauso angelegt. Was das Hacken angeht, sind sie genauso sicher oder unsicher, wie unser Account das auch ist. Sie sind genauso wie wir im System, in der Infrastruktur eingebettet und dann ist eher die Frage, wie im Hintergrund die Sicherheit gewährleistet wird. Die Datensicherheit als solche ist das noch mal ein anderes Thema. Das betrifft natürlich das ganze Thema Datenschutz und da sind wir als Rhenus Gruppe extrem hinterher, dass die Daten richtig gesichert und auch geschützt sind. Da haben wir alle Konzepte dahinter, die es gibt. Es gibt Löschkonzepte, um bestimmte Daten zu bestimmten Fristen zu löschen. Daran halten wir uns. Wenn wir zum Beispiel personenbezogene Daten verarbeiten, beispielsweise bei Arbeitsverträgen, haben wir ein anderes Löschkonzept, als wenn das irgendwelche Auftragsdaten sind, wo keine personenbezogenen Daten drin sind. Aber darauf legen wir sehr viel Wert und daran halten wir uns auch.

00:10:40
Gwen Dünner: Wenn man die Robos als virtuelle Mitarbeiter betrachtet, dann versteht man auch, dass die so unsicher wie wir sind - nur wahrscheinlich sicherer, weil Mitarbeiter auch mal ins Internet gehen oder mal den Arbeitsplatz verlassen. Aber ein Programm das natürlich nicht macht.

00:10:55
Marie-Louise Heidbrink: Richtig. Dazu haben wir auch innerhalb der Rhenus Gruppe unterschiedliche Richtlinien, zum Beispiel zum Thema Makros: Makros sind Sicherheitslücken und deswegen gibt es die Richtlinie, dass unsere Software-Roboter keine Excel-Dateien verarbeiten dürfen, die Makros beinhalten. Denn Roboter können nicht beurteilen, ob das ein unsicherer Absender ist oder ob der Mail-Inhalt nicht zu dem passt, was er eigentlich bearbeiten soll. Das heißt, wir haben die Richtlinie implementiert, dass gar keine Excel-Dateien mit Makros verarbeitet werden dürfen. Dadurch schließen wir schon eine ganze Sicherheitslücke.

00:11:27
Andrea Goretzki: Du arbeitest bei der Rhenus Gruppe, einem international tätigen Logistikdienstleister. Wofür wird denn RPA in der Logistik eingesetzt und welche Vorteile bringt der Einsatz der virtuellen Mitarbeiter speziell in der Logistik?

00:11:40
Marie-Louise Heidbrink: Wir sind als Center of Excellence für die Rhenus Gruppe zuständig und diese ist ein sehr vielfältiger Logistikdienstleister, der die unterschiedlichsten Dienstleistungen anbietet. Wir haben RPA entsprechend in unterschiedliche Bereiche gesplittet. Die Robos sind auf der einen Seite für die administrativen Abteilungen im Einsatz sind, also HR, Finance und Controlling. Da haben wir extrem viele manuelle Prozesse und deswegen auch ein extrem großes Potenzial für Automatisierungslösungen und damit eben auch für Software-Roboter. Da sind aber auch schon einige im Einsatz, die Kollegen werden schon gut unterstützt von unseren Software-Robotern. Aber wir haben auf der anderen Seite auch die konkreten Logistikabteilungen, die sich mit den unterschiedlichsten Dienstleistungen beschäftigen. Wenn wir hier über Use Cases sprechen, haben wir zum Beispiel das Thema Sendungsanlage. Wenn die Kollegen mit dem Kunden in Kontakt stehen und die Aufträge bekommen, dann müssen die Aufträge in unser TMS (Transport-Management-System) hinein. In der Regel läuft so etwas über eine sogenannte EDI. Das ist eine Schnittstelle, wo die Daten vom Kunden automatisch in unser TMS gespielt werden. Das sollte in der Regel auch so laufen, weil es einfach weniger Aufwand bedeutet. Aber wir wissen auch, wie es ist: Es ist nicht immer alles so ... Und da kommen schon unterschiedlichste Roboter zum Einsatz, die beispielsweise die Daten vom Kunden abholen und bei uns ins TMS-System spielen. Wie eben schon ausgeführt, kann das eine temporäre Lösung sein, weil die Kollegen der IT an einer langfristigen Lösung arbeiten. Aber es kann auch eine Lösung sein, die durchgängig vom Roboter übernommen wird. Wir sprechen hier teilweise von großen Volumen an Sendungen, die der Roboter da anlegt. Wir hatten tatsächlich schon einen Use Case, wo die Kollegen gesagt haben, dass es ohne den Roboter sehr schwierig gewesen wäre, alle Aufträge ins System zu bekommen - weil es eine extrem manuelle Aufgabe ist und das Volumen nicht machbar gewesen wäre. Entweder werden die Aufträge komplett übernommen vom Roboter oder nur teilweise. Oder nehmen wir den Fall einer EDI, die nur halb funktioniert. Da werden manche Datensätze übertragen und der Roboter trägt zum Beispiel dann nach. Das ist ein Bereich. Daneben kommen die Roboter auch im Zoll zum Einsatz. Das ist ein extrem gutes Beispiel, weil der Effekt sehr groß ist. Man kann sich vorstellen, dass im Bereich Zoll extrem viele Datensätze existieren, die aus einer Zahlen-Buchstaben-Kombination bestehen. Die sind teilweise sehr lang. Wenn man da mal einen Tippfehler macht und Dinge falsch verzollt, kann das zu Verzögerungen in Lieferketten führen. Das ist natürlich nicht gewünscht und es ist für den Kunden blöd, wenn die Sendungen zu spät da sind und der Weitertransport nicht erfolgen kann. Oder wenn Waren für Produktionswerke benötigt werden, wird es bei Verzögerungen schwierig. Und das "nur", weil irgendwelche Zahlen und Buchstabenkombinationen falsch angegeben worden sind. Da kommen zum Beispiel auch unsere Roboter zum Einsatz. Die lesen dann diese Zolldokumente, das sind Handelsrechnungen und Ähnliches, aus und tragen sie in das Vorsystem vom Zoll ein. Verzollt wird natürlich weiterhin von unseren Kollegen, aber trotzdem wird sichergestellt, dass die richtigen Daten aus den Dokumenten in dieses System eingetragen werden, sodass die Kollegen wirklich nur noch drüber gucken müssen, noch mal ein paar Checks machen müssen. Ich bin auch ganz offen: Es kann nicht immer alles von Software-Robotern übernommen werden - diese Illusion nehme ich auch immer von Anfang an -, aber schon sehr viel. Vielleicht müssen die Kollegen da noch ein, zwei Daten nachtragen und können dann vollständig verzollen. Ein anderer Logistikbereich: Wenn jemand bei einem Händler ein Sofa oder ein Bett bestellt, dann wird das teilweise auch von der Rhenus geliefert. Hier übernehmen Roboter so eine Sendungsavisierung zum Teil oder unterstützen dabei. Wenn man eine Mail bekommt, die besagt, dein Sofa wird geliefert: morgen zwischen 11:00 und 14:00 Uhr - das ist auch ein Bereich, wo ein Roboter unterstützt. Die Avisierung selbst wird von einem anderen System übernommen. Das ist auch ein ganz schönes Beispiel, denn es wird eben nicht der gesamte Prozess übernommen, sondern nur ein Teil. Was der Roboter macht: Er bekommt den Auftrag und schaut sich an "Was habe ich für ein nächstmögliches Lieferzeitfenster zur Verfügung?", wählt das aus und gibt den Kollegen eigentlich nur Bescheid, indem er sagt: "Dann kannst du die Sendung liefern." Das andere System übernimmt dann die Kommunikation zum Kunden. Die Einsatzbereiche der Roboter sind also sehr unterschiedlich und vielfältig.

00:15:53
Gwen Dünner: Was ich mich gerade gefragt habe: Muss man die Roboter auch warten? Gibt es irgendwelche Zeiträume, innerhalb derer sie noch mal neu eingestellt werden  müssen oder noch mal geprüft werden muss, ob auch alles noch richtig läuft?

00:16:04
Marie-Louise Heidbrink: Ja, tatsächlich ist das sogar ein sehr großer Anteil unserer Arbeit im Team mit einem sehr großen Stellenwert: die Wartung von den Robotern. Das hat alles seine Vor- und Nachteile, diese Oberflächenarbeit, so will ich das einmal nennen: dass die Roboter eben über die Oberfläche gehen. Denn man kann sich vorstellen, dass sich solche Systeme häufig auch mal ändern. Dann werden Updates eingespielt und plötzlich heißt ein Button anders und der Roboter weiß dann nicht weiter: Der hieß doch vorher so, jetzt heißt er plötzlich so? Das sind eher so Kleinigkeiten. Häufiger setzen wir aber mit Kollegen Prozesse um, die anfangs noch rudimentär sind. Weil natürlich am Anfang ein bisschen Skepsis bezüglich solcher Software-Roboter da ist und man erst mal einen Grundprozess aufsetzt. Und wenn die Kollegen dann feststellen, dass es gut funktioniert und die Software-Roboter gut unterstützen, dann fangen sie an, meistens vorne oder hinten noch etwas dran zu docken. Das fällt für uns in den Bereich Wartung und Support. Das macht einen großen Anteil in unserem Alltagsgeschäft aus. Manchmal haben die Kunden dann auch noch Fragen. Oder: Der Roboter soll noch mal laufen, weil irgendwas vergessen worden ist, von den Kollegen einzuspielen. Das nimmt tatsächlich einen großen Stellenwert ein.

00:17:05
Andrea Goretzki: Jetzt haben wir ja schon ganz viel über die Vorteile gehört, die diese Roboter mit sich bringen. Nichtsdestotrotz ist ja sicherlich auch immer noch so eine Angst damit verbunden: Och, virtueller Mitarbeiter, nimmt der mir vielleicht auf Dauer meinen Arbeitsplatz weg? Wie ist das? Müssen Mitarbeiter Sorge haben, dass sie überflüssig werden durch den Einsatz der Roboter? Oder ist die Angst unbegründet? Kannst du die Angst nehmen?

00:17:34
Marie-Louise Heidbrink: Also, ich glaube tatsächlich, wenn der Begriff Automatisierung fällt, dann denken natürlich viele Menschen sofort "Ich werde ersetzt" und "Ich muss meine Arbeit nicht mehr machen". Das kommt natürlich sofort in den Kopf. Das ist auch okay, weil es auch früher so war, als diese physische Automatisierung kam. Als diese physischen Roboter in die Produktionshallen der Automobilhersteller kamen. Natürlich sind da Jobs weggefallen, aber es wurden natürlich auch neue geschaffen. Heutzutage würde ich sagen, ist es ganz anders. Wenn keine Leute mehr auf dem Markt sind, die die Arbeit übernehmen sollen, welche Menschen soll ich dann sozusagen ersetzen? Ich habe in den letzten Wochen viele Stellen ausgeschrieben, weil unser Team extrem gewachsen ist. Die Anzahl der Bewerbungen, die reinkam, war schon sehr gering, einfach weil nicht mehr so viele Personen auf dem Markt sind. Das heißt, die Angst ist meiner Meinung nach komplett unbegründet, weil die Leute nicht mehr da sind, um die Arbeit zu machen. Das heißt, ich würde als Unternehmen den größten Fehler machen, diese Mitarbeiter zu entlassen, wenn ich gar keine habe, um die Arbeit zu machen. Dennoch glaube ich, dass ein Umdenken in Unternehmen stattfinden muss, dass man wirklich alle Prozesse, die da sind, auf den Prüfstand stellen muss. Wenn ich mich in meinem Freundes- und Familienkreis umhöre und frage: "Wie läuft es auf der Arbeit?" Dann höre ich eigentlich immer: "Super viel zu tun. Ich weiß nicht, wann ich das alles schaffen soll." Manchmal arbeiten die Kollegen noch am Wochenende und sagen: "Ich musste noch mal zwei, drei Dinge fertig machen." Ich habe noch nie jemanden gehört, der zu mir gesagt hat, er habe so wenig zu tun oder ihm sei langweilig auf der Arbeit. Das ist vielleicht auch ein Punkt, den man berücksichtigen muss und der auch noch mal das stützt, was ich gerade meinte: Wenn keine Mitarbeiter auf dem Markt sind, kann man sie auch nicht ersetzen kann. Das Umdenken in Unternehmen, das stattfinden muss, bedeutet, wirklich die Prozesse auf den Prüfstand zu stellen: Okay, ich habe jetzt Person X. Was sind die Prozesse, die diese Person ausführt? Was sind ihre Aufgaben? und dann muss analysiert werden: Was davon kann ein Software-Roboter übernehmen und was davon muss die Person X noch machen und welche Aufgaben kann sie dann zusätzlich übernehmen? Ich glaube, das ist auch ganz wichtig, wenn wir über Kommunikation sprechen. Darauf lege ich immer sehr großen Wert, wenn wir mit internen oder externen Kunden sprechen: Sagen Sie Ihren Mitarbeitern nicht: "Du bekommst mehr Zeit für wertvolle Aufgaben." Sondern sage deinem Mitarbeiter, welche Aufgaben er übernimmt. Denn dieses: "Du wirst mehr Zeit haben für wertvolle Aufgaben" ist auch ein bisschen eine Floskel. Weil die Angst auch wirklich begründet ist, sollte man dem Mitarbeiter konkret sagen: "Pass auf, diese Aufgaben werden jetzt zukünftig von einem Software-Roboter übernommen, und genau diese Aufgaben wirst du dann zusätzlich übernehmen." Ich glaube, das hilft sehr, um diese Angst ein bisschen zu nehmen, indem man sagt: "Du machst nicht irgendetwas, sondern du machst genau das."

00:20:25
Andrea Goretzki: Ja, gut, du hattest es auch eingangs schon gesagt: Der Roboter übernimmt in der Hauptsache sehr monotone Aufgaben, die vielleicht auch nicht unbedingt jeder gerne macht. Also, endlose Buchstaben-Zahlen-Kombinationen in Excel-Tabellen eintragen klingt nicht so unbedingt nach Traumjob.

00:20:45
Gwen Dünner: Nicht so das Favourite!

00:20:46
Marie-Louise Heidbrink: Das stimmt, ja.

00:20:47
Andrea Goretzki: Daher ist man ja doch eher froh und dankbar, wenn man solche Aufgaben dann künftig quitt ist und die an den virtuellen Kollegen abgeben kann.

00:20:58
Marie-Louise Heidbrink: Das auf jeden Fall. Das ist auch das, was ich wahrnehme. Ich kann auch ganz offen über meine Erfahrungen sprechen, wenn wir etwas umgesetzt haben: Die Skepsis war immer sehr groß und dementsprechend auch die Einstellung mir als Person gegenüber. Ich weiß, dass das nie persönlich gemeint war, aber natürlich war da diese Angst: Was, wenn der Roboter jetzt alles macht? Was soll ich dann machen? Im Nachgang kommen dann aber die Kollegen auf mich zu und sagen, sie sind sehr froh, dass das der Roboter jetzt macht - weil die Kunden, die da dranhängen, wieder viel zufriedener sind und sie auch einfach pünktlich Feierabend machen können und ihre Kinder von der Schule abholen können, ohne wieder anzurufen und zu sagen: "Ich komm doch eine Stunde später, weil ich noch so viel zu tun habe." Also: Am Anfang ist die Skepsis sehr groß, aber wenn man erst mal sieht, was solche Software-Roboter können und was für eine Entlastung dadurch reinkommt, dann ist doch die Freude nachher umso größer.

00:21:45
Gwen Dünner: Wie du gerade schon erläutert hast, die Akzeptanz steigt für diese Software-Roboter. Zum Schluss vielleicht noch mal die Frage: Was glaubst du, wie sich das Thema RPA in den nächsten Jahren entwickeln wird? Welche Rolle wird zum Beispiel künstliche Intelligenz deiner Meinung nach dabei spielen?

00:22:00
Marie-Louise Heidbrink: Also, zu deiner ersten Frage, was für eine Rolle RPA spielen wird: Ich glaube, dass das immer dominanter im Unternehmen wird und auch eine tragende Rolle im Unternehmen einnehmen wird. Ich glaube, die einen Unternehmen brauchen dafür noch ein bisschen länger. Andere Unternehmen sind diesbezüglich schon sehr weit. Aber der Fachkräftemangel ist da und wir müssen dagegen etwas tun. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um diesen Customer Service, den wir haben und anbieten wollen, weiterhin zu liefern. Deswegen bin ich sehr gespannt, wie schnell andere Unternehmen, die sich vielleicht noch gar nicht mit dieser Thematik befassen, jetzt aufspringen müssen, um dem gerecht zu werden. Aber ich bin auch sehr gespannt, was die Rhenus Gruppe angeht. Wir sind jetzt schon drei Jahre in dieser Thematik und meiner Meinung nach auch schon immer mitgegangen in den ganzen Entwicklungen, die es gab. Und dazu gehört eben auch das Thema künstliche Intelligenz. Das Thema ist natürlich gerade noch ein bisschen in den Babyschuhen. Die erste künstliche Intelligenz, die wir jetzt haben, ist die intelligente Dokumentenverarbeitung. Da sind Roboter in der Lage, von Dokumenten, die eine schlechte Qualität haben, Daten auszulesen und nachher weiterzuverarbeiten, und auch von unterschiedlichen Layouts. Man kann sich das am Beispiel von Rechnungen vorstellen: Jeder Lieferant und jeder Dienstleister hat ein anderes Rechnungslayout. Früher musste man dem Roboter dann beibringen: Bei diesem Dokument steht "Rechnung" oben rechts und bei dem "Rechnung" oben links. Oder: Hier wird es anders geschrieben und bei dem anderen Layout wird es so geschrieben. Das haben wir dann mit dieser Lösung nicht mehr. Das heißt, die Roboter arbeiten richtig. Da sind Machine-Learning-Modelle im Hintergrund, wo die Roboter wirklich lernen, wie solche Layouts aussehen und wo sie bestimmte Daten dann herbekommen. Das gibt es schon und das funktioniert auch wirklich richtig gut. Langfristig wird es dahingehen, dass Roboter - basierend auf Daten - in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen. Ich hatte anfangs gesagt, es gibt diese klassischen Wenn-dann-Regeln. Im Moment geben wir diese Regeln dem Roboter noch vor. Wir sagen ihm also, wenn du das hast, dann gehst du in die Richtung, und wenn du das hast, gehst du in die Richtung. Irgendwann soll es mal dahingehen, dass Roboter basierend auf den ihnen vorliegenden Daten entscheiden, was sie tun. Wie schnell das kommen wird, wie gut das dann wirklich funktioniert, da bin ich noch mal sehr gespannt. Aber ich freue mich darauf. Das ist aber die Richtung, in die es gehen wird. Ich bin mir sehr sicher, wenn man sich die RPA-Technologie und die Entwicklungen anschaut, die damit bereits in den letzten drei Jahren gekommen sind, dann wird man sehen, dass da ganz viel passieren wird.

00:24:22
Andrea Goretzki: Ja, das hört sich so an, als würde uns das Thema auf jeden Fall noch eine ganze Weile begleiten. Marie-Louise, vielen Dank, dass du dir heute die Zeit genommen hast und hier warst und uns aus deinem Bereich berichtet hast. Das war megaspannend.

00:24:35
Marie-Louise Heidbrink: Vielen Dank, dass ich da sein durfte.

00:24:37
Gwen Dünner: Sehr gern und gerne auch wieder. Wir bleiben auf jeden Fall dran am Thema.

00:24:41
Marie-Louise Heidbrink: Ja, auf jeden Fall.

00:24:43
Andrea Goretzki: Wir müssen auch gucken, wo es mit der künstlichen Intelligenz und den Entscheidungs...

00:24:46
Gwen Dünner: ... ich wollte gerade sagen: Du sagst uns Bescheid, bevor die Matrix angeschaltet wird!

00:24:49
Marie-Louise Heidbrink: Ich berichte dann, genau. [Lachen]

00:24:53
Gwen Dünner: Ja, das war es auch schon wieder: unsere aktuelle Folge von Logistics People Talk, dem Podcast der Rhenus Gruppe. Vielen Dank auch an unsere Zuhörer, dass Sie dabei waren. Wenn auch Sie keine weitere Folge verpassen wollen, abonnieren Sie Logistics People Talk überall dort, wo es Podcasts gibt. Alles Gute. Passen Sie auf sich auf - es verabschieden sich Gwendolyn Dünner

00:25:10
Andrea Goretzki: und Andrea Goretzki.

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