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Markt & Management

Hidden Champion Türkei: Logistikland von morgen

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Türkische Logistikbranche im Wachstum

Die Coronapandemie hat globale Lieferketten verändert. Was für das eine Land logistische Herausforderungen darstellte, ermöglichte einem anderen Land neue Perspektiven. Die Türkei profitierte von ihrer Nähe zur Europäischen Union und konnte Lieferungen sicherstellen. Mit dem expandierenden E-Commerce-Sektor, steigenden Exporten und der umfassenden Investition in die Infrastruktur festigt die Türkei ihre Position als Logistikland – genug, um sich in Zukunft zum neuen Fernost zu entwickeln?

In den vergangenen fünf Jahren entwickelte sich die Türkei mit einem BIP-Wachstum von 5,1 Prozent zur elftgrößten Volkswirtschaft der Welt. Aufgrund der schnell reagierenden Marktsituation verlagern viele internationale Unternehmen, besonders Einzelhändler, ihre Produktion in die Türkei. Dafür tut das Land auch einiges: Um den Logistiksektor noch attraktiver zu gestalten, beteiligt es sich an wirtschaftlichen Initiativen und Entwicklungsprojekten. So unterstützt die Türkei unter anderem im Rahmen investitionsfördernder Maßnahmen Projekte, die die Kapazitätsbedingungen und die Mindesthöhe der Festinvestition erfüllen. Die Region, in der die Projekte angesiedelt sind, ist dabei kein Kriterium. Maschinen und Ausrüstung, die für die Projekte mit einer allgemeinen Investitionsförderungsregelung erworben werden, sind von der Mehrwertsteuer befreit.

Türkische Logistikbranche im Wachstum

Zusätzlich stärkt das Land seine Position mit logistischen Freihandelszonen. Als Initiative der Regierung ermöglichen sie es Unternehmen, steuerfrei zu importieren und exportieren. Beim Import fallen keine Einfuhrsteuern und -zölle an. Bei der Ausfuhr verlangt die Regierung keine Steuererklärungen. In den gut strukturierten Industriegebieten finden sich alle Arten von Produktionsanlagen.

Hindernisse für den Logistikexperten

Auf dem Weg zum Expertenland in Sachen Logistik hat die Türkei mit einigen Hürden zu kämpfen. Da die Türkei sich außerhalb der Schengen-Zone befindet, müssen Transporteure ein Schengen-Visum beantragen. Bis der Antrag genehmigt wird, vergehen durchschnittlich zwei bis drei Wochen. Das Visum ist auf sechs Monate Gültigkeit begrenzt – damit können Fahrer ungefähr fünf Reisen nach Deutschland und zurück in die Türkei antreten.

Als Mitgliedsstaat der Zollunion gehört die Türkei nicht der Europäischen Union an. An den Grenzen zu Bulgarien und Griechenland werden die Produkte deshalb umfassend kontrolliert. Die Zollbeamten bewerten sowohl die Ware als auch den Fahrer und die Dokumentation. Dazu zählen Transportdokumente, Rechnungen und Packlisten. Das führt zu Staus an den Straßengrenzen. Daraus resultieren Verzögerungen und eine hohe Ressourcenverschwendung an Kraftstoffen, verderblichen Lebensmitteln, Zeit und Geld. Zu bestimmten Zeiten kann die Überfahrt von der Türkei nach Bulgarien bis zu fünf Tage in Anspruch nehmen. Für Unternehmen ist es daher hilfreich, AEO-zertifiziert zu sein. Das ermöglicht ein schnelleres Abwickeln der Prozesse an der Grenze.

Der von der Weltbank berechnete Logistikperformanceindex (LPI) indiziert, dass die Türkei aufgrund der Zollvorschriften an Wert verliert. In den Kategorien Zoll, Logistik, Transport, Infrastruktur, internationale Verschiffungen und Pünktlichkeit zeigt sich, dass die Türkei, vor allem bei dem Punkt Zoll, stark einbüßen muss. Diesen Nachteil auszugleichen ist das Ziel des Landes.

Ausrichtung auf internationale Warenströme

In den letzten fünfzehn Jahren hat die Türkei mehr als 150 Milliarden US-Dollar in ihre Infrastruktur investiert. Das Land wickelt die Warenein- und -ausfuhr per Schiffstransport, Straßenverkehrsmitteln oder Flugzeugen ab. Insgesamt gibt es in der Türkei 69.000 Kilometer Straßen. 56 Flughäfen fertigen innerhalb eines Jahres über 150 Millionen Passagiere ab. Prozentual befördern Transporteure 60 Prozent der Waren auf dem Seeweg, 31 Prozent auf der Straße und 7,5 Prozent auf dem Luftweg.

Einfuhr und Ausfuhr von Waren im Schiffsverkehr

Die türkischen Häfen schlagen jährlich mehr als 526 Millionen Tonnen Waren um. Ungefähr 8.400 Kilometer Küstenlänge bieten einen hervorragenden Ausgangspunkt für kombinierte Verkehrsträger, darunter viele Güterumschläge im RoRo-Verfahren (Roll on, Roll off). Anstatt das Containerschiff mit einem Kran zu beladen, werden die Güter rollend (entweder über eigene Räder oder auf Rolltrailern) auf das Schiff bewegt. Damit ist der Aufwand gering und die Schiffe können auch kleinere Häfen ohne eigens installierte Kräne anfahren. Die kurzen Seeverbindungen zwischen Istanbul, Izmir, Mersin, Samsun und Zonguldak reduzieren den CO2-Fußabdruck der Transporte und erhöhen zusätzlich die Kapazitäten der weiteren Warenbeförderungen nach Europa.

Nur etwa ein Prozent des gesamten Außenhandels läuft bislang als Schienentransport. In den kommenden Jahren wird der Anteil steigen, da die Türkei mit Aserbaidschan bereits jetzt über Georgien, Griechenland, Bulgarien und dem Iran per Schiene verbunden ist. Diese Verbindung zahlt vor allem auf die Entwicklung des Mittleren Korridors der Neuen Seidenstraße als transkaspische Handelsroute ein.

Standortzentren in der Türkei

Die wichtigsten Nachfragetreiber für hochwertige Lagerflächen sind wachsende Exporte, der expandierende E-Commerce-Sektor und der jüngste Nearshoring-Trend. So finden sich in Industriegebieten Produktionszentren und Third-Party-Logistics-Lager (3PL), in denen sich große Unternehmen und Ersatzteilhersteller in direkter Nähe ansiedeln. In den breit gefächerten Logistikzentren siedeln sich lizenzierte Lagerhäuser, Kühllager, Gefahr- und Spezialgüterlager an. Auch Unternehmen, die Mehrwertdienste und Containertransfers anbieten, lassen sich dort nieder. Für Logistik- und Transportunternehmen stehen außerdem Abfüll-, Entlade- und Lagerbereiche zur Verfügung. Auch Versicherungen, Banken und Finanzinstitute, Nichtregierungsorganisationen sowie der Zoll sind in diesen Freihandelszonen gebündelt. Dadurch profilieren sich türkische Logistikzentren als Ballungsraum für Unternehmen und Dienstleister.

Bursa - Standortzentren in der Türkei

Besonders in der Marmara-Region bauen 3PL-Anbieter, Lebensmitteleinzelhändler, Hersteller und E-Commerce-Händler Lagerhäuser, die nach dem Sicherheits- und Qualitätsbewertungssystem (SQAS) zertifiziert sind. Ebenso wichtige Logistikgebiete sind die Ägäis-Region, Ankara und die südliche Region der Türkei. Die beiden Millionenstädte Istanbul und Bursa sowie die Provinz Kocaeli decken insgesamt mehr als 65 Prozent des gesamten türkischen Außenhandels ab.

Wir verfügen über gut entwickelte, vertikale Lieferketten, in denen Unternehmen einen Großteil der gesamten Lieferkette kontrollieren können.
Korcan Tugrul | Direktor der Rhenus Intermodal Systems Türkei

Zollvorschriften bei der Ein- und Ausfuhr in die Türkei

Warenkontrolle beim Zoll

Als Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) orientiert sich die Türkei bei der Zollabwicklung an den Anforderungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT). „Bevor Unternehmen ihre Waren im- oder exportieren, sollten sie sich über eingeführte Referenzpreissysteme und Kontrollbescheinigungen informieren“, sagt Korcan Tugrul, Direktor der Rhenus Intermodal Systems Türkei. An den Grenzen führen Beamte aufwendige Dokumentationsanforderungen und strenge Kontrollen durch. Anstelle von Spediteuren fertigen Zollmakler die Zollprozesse ab. Die Zollmakler müssen eine Zulassung für ihre Profession vorweisen und türkischer Abstammung sein.

Die Agrar- und Pharmaindustrien unterliegen zusätzlichen Anforderungen. So bestimmen weitere Zollkontingente und Auflagen, in welchen Gebieten Firmen aus dem Ausland in einen Wettbewerb treten dürfen. „Die protektionistischen Maßnahmen wie die Lokalisierungsauflage greifen beispielsweise auch in der Bekleidungsbranche und bei medizinischen Geräten“, erklärt Korcan Tugrul.

Die Türkei: der neue Ferne Osten?

In naher Zukunft könnte die Türkei die Produktion in Fernost ersetzen – und das langfristig. Die Türkei besitzt eine junge, gut ausgebildete Bevölkerung. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) leben in der Türkei etwa 30,5 Millionen Arbeitskräfte. Damit gilt das Land als drittgrößter Arbeitsmarkt in Europa. Der Mindestlohn liegt bei 250 Euro pro Monat und übertrifft damit den Mindestlohn im Fernen Osten. Während die Qualität der Produktion in der Türkei sehr hoch ist, ist das Land bislang auf Importrohstoffe angewiesen. „Wenn dieses Hindernis überwunden ist, wird es deutlich einfacher sein, sich aus Unternehmenssicht auf die Türkei als Produktionsland zu konzentrieren“, erklärt Korcan Tugrul.

Die junge, gut ausgebildete Bevölkerung der Türkei

Die geografische Nähe zur Europäischen Union führt zu Einsparungen beim Transport und wirkt sich günstig auf Produktionskosten aus. „Wir verfügen über gut entwickelte, vertikale Lieferketten, in denen Unternehmen einen Großteil der gesamten Lieferkette kontrollieren können“, sagt Korcan Tugrul. Durch die Inflation ist das Produktionsland in den letzten Jahren billiger als der Ferne Osten geworden. Kürzlich ist der Wertverlust der türkischen Lira drastisch angestiegen. Gleichzeitig steigt das Bruttoinlandsprodukt (BIP). „Mit der Abwertung der türkischen Lira steigen die ausländischen Direktinvestitionen. So bringt mehr Wertverlust paradoxerweise mehr Geld in die Türkei“, erklärt Korcan Tugrul. Die Investitionen ausländischer Firmen sind langfristiges Kapital für die Entwicklung des Logistikmarktes in der Türkei. So kann die Produktion in der Türkei die des Fernen Ostens langfristig ersetzen, insbesondere bei Bekleidungsstücken, Kraftfahrzeugen und Ersatzteilen, weißen und braunen Waren sowie Gütern für die Verteidigungsindustrie.

Zentraler Bestandteil europäischer Lieferketten

Lieferketten in der Türkei von Rhenus Intermodal Systems Turkey

In den kommenden Jahren könnte die Türkei zu einem Main Player in den EU-Lieferketten werden. Dafür spricht bereits ihre geografische Lage, die einen einfachen Zugang zu verschiedenen europäischen und asiatischen Regionen ermöglicht. Die sich ständig entwickelnden Industriesektoren ziehen einen gesunden Exportmarkt an, der weiter expandieren wird. Zurzeit liegt die Anzahl exportierter Produkte weltweit bei über einer Milliarde. Die Tendenz steigt.

In einem knappen Vierteljahrhundert wird die türkische Bevölkerung voraussichtlich um ein Fünftel wachsen und damit auf 90 Millionen Menschen ansteigen. Die zukünftige junge Bevölkerung wird gut ausgebildet sein: Der öffentliche und der private Sektor investieren bereits jetzt in großem Umfang in eine fortschrittliche Fertigung sowie ein modernes Informations- und Gesundheitswesen. All diese Punkte führen zu einer konkreten Schlussfolgerung: „Wenn die Türkei die EU-Vorschriften übernimmt, wird sie in Betracht ihrer Ausgangslage in naher Zukunft das attraktivste Produktionszentrum sein“, prognostiziert Korcan Tugrul.

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Erfahren Sie mehr über den Gütertransfer über den Mittleren Korridor und die Rolle des Produktionszentrums Türkei auf der Rhenus Intermodal Seite.

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Mehr über die Türkei und Gütertransporte in der transkaspischen Region erfahren Sie in unserem Artikel:

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