Die Europäische Union (EU) ist einer der größten Akteure auf dem internationalen Handelsmarkt. Das macht sie für Länder weltweit zu einem beliebten Ziel für die Einfuhr von Gütern aller Art. So wurden im Jahr 2022 Waren im Wert von rund drei Billionen Euro in die EU importiert1. Damit Unternehmen ihre Produkte überhaupt einführen dürfen, müssen diese sämtliche produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen erfüllen. Die Ziele sind der Schutz der EU-Außengrenzen und transparente Zollkontrollen. Ein wichtiges Kontrollinstrument der Zollbehörden ist das Import Control System 2 (ICS2), ein Frachtinformationssystem zur vorherigen Anmeldung und Kontrolle von Wareneingängen in die EU.
Für Spediteure sollte ICS2 inzwischen kein unbekanntes Thema mehr sein. Der erste Teil der dreistufigen Übergangsstrategie für den Import in die EU ist bereits am 15. März 2021 in Kraft getreten. Das Ziel ist es, Schritt für Schritt das seit 2011 etablierte ICS1-Verfahren zu ersetzen. Im Rahmen der ersten Stufe von ICS2 muss die Pre-Loading Advance Cargo Information (PLACI) jeglicher Luftpost- und Luftexpress-Sendungen zur Vorabkontrolle an das System übermittelt werden. So bieten die Informationen eine zusätzliche Sicherheitsebene, die schon vor dem Verladen der Waren greift: Die Zollbehörden erhalten die wichtigsten Daten über die Sendung wie beispielsweise die EORI-Nummer (Nummer für Economic Operators Registration and Identification), HS-Codes (Codes für Harmonized System) oder eine ausführliche Beschreibung schon vor dem Abflug. Auf Basis dieser Informationen können sie anschließend entscheiden, ob die Fracht verladen werden darf oder nicht. Gegebenenfalls sind dazu weitere Informationen nötig, was der Zoll in Form eines RfI (Request for Information) kommuniziert.
Die zweite Stufe von ICS2 gilt seit März und betrifft ab sofort die gesamte Luftfrachtindustrie. Damit treten außerdem zusätzliche Bestimmungen in Kraft, wie die Angabe des gesamten Datensatzes der Entry Summary Declaration (dt. ESumA, engl. ENS) und der Ankunftsmeldung sowie die Gestellung der Güter – ebenfalls vor der Verladung in das Flugzeug.
Die neuen Regelungen bedeuten für Luftfrachtspediteure einen hohen Aufwand. Doch die Einführung von ICS2 erfolgt aus gutem Grund: Durch die frühzeitige Übermittlung der Frachtdaten an das System wird die Einfuhr von Waren in den europäischen Markt transparenter und sicherer. Dadurch können Staat und Zoll risikoreiche Güter frühzeitig erkennen und bei potenziellen Gefahren proaktiv eingreifen. Gleichzeitig zentralisiert ICS2 das Risiko- und Datenmanagement zwischen EU-Mitgliedern. Als ganzheitliches System erhöhen die Maßnahmen so die Transparenz des Handels im Umgang mit Sendungen aus Drittländern in die EU – eine starke Grundlage für den stärkeren Schutz des Binnenmarktes vor externen Bedrohungen. Für Unternehmen und Privatpersonen beschleunigt das IT-gestützte Kontrollsystem zudem zahlreiche Zollprozesse wie den Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten, Risikoanalysen und infolgedessen auch die Einfuhrzollabfertigung.
Welche Fracht als Hochrisikosendung gilt, ist von der ICAO (Internationale Zivilluftfahrt-Organisation, Sonderorganisation der Vereinten Nationen) definiert. Darunter zählen Sendungen, die Geheimdiensten zufolge eine Bedrohung darstellen, Manipulation oder verdächtige Eigenschaften aufweisen oder von einer unbekannten Person aufgegeben wurden. Und auch wenn die Ware so beschaffen ist, dass die Basissicherheit potenzielle Gefahren übersehen könnte, zählt sie als Risiko. Durch ICS2 fällt die Kontrolle dieser Kennzeichen um einiges leichter: Im Zweifel kann die Zollbehörde zusätzliche Informationen anfordern (RfI) oder Änderungen an der jeweiligen Sendung verlangen, um gegebenenfalls gefährliche Eigenschaften identifizieren zu können. Leistet der Sender diese Informationen nicht oder weigert er sich, die Änderungen durchzuführen, kann der Zoll ein Ladeverbot aussprechen und unter Umständen die Zollfahndung alarmieren.
Mit dem Umstieg auf ICS2 kommuniziert die EU eine klare Botschaft: Mehr Transparenz gewährleistet die Sicherheit im Zoll und damit den rechtmäßigen Handel auf dem Binnenmarkt. Bei einem Verstoß gegen das neue System drohen Sanktionen, Beladungsverbote und gegebenenfalls weitere Kosten für die Lagerhaltung. Dabei sind selbst kleine Fehler oder Versäumnisse problematisch und führen im besten Fall zu verspäteten Lieferungen oder unzufriedenen Kunden. Ein Beispiel: Das einheitliche Format der Entry Summary Declaration lässt keine Abweichungen zu. Somit müssen die Anwender zur Produktklassifizierung anstelle der bisher ausreichenden Warenbeschreibung oder der ersten vier Ziffern des HS-Codes nunmehr sechs Ziffern des HS-Codes übermitteln. Unvollständige oder qualitativ schlechte Erklärungen können daher zurückgewiesen werden oder sogar zu Sicherheitskontrollen durch die EU-Zollbehörden führen.
Insofern reicht es für Wirtschaftsakteure nicht aus, nur über ISC2 informiert zu sein, wenn die genauen Abläufe und die geforderten Daten nur lückenhaft im Gedächtnis sind. Die folgenden Checklisten bieten eine Orientierungshilfe für den Abfertigungsprozess und die notwendigen Informationen auf Basis von ICS2:
Das Abfertigungsverfahren lässt sich in fünf Schritten zusammenfassen:
Vor dem Verladen muss der Beförderer …
Zudem müssen diese Informationen griffbereit abrufbar sein:
Während sich die Luftfracht noch mit den Richtlinien der zweiten auseinandersetzt, steht im März 2024 bereits die dritte Phase von ICS2 auf dem Plan. Aitor Pérez Redón, Projektmanager bei Rhenus Freight Network, sieht in der aktuellen Situation jedoch eine große Chance für Spediteure: „Die Einführung von Stufe zwei bietet die perfekte Gelegenheit, uns Notizen darüber zu machen, was gut und was weniger gut läuft.“
Die Einführung der zweiten Etappe kann auf diesem Weg dabei helfen, die wichtigsten Ansprüche und Eigenheiten des neuen Systems besser zu verstehen. Wertvoll ist das insbesondere für Unternehmen aus der Schienen-, Straßen- und Seefrachtindustrie, die das Ziel des finalen Rollouts sind.
Unsere Checklisten und eine genaue Beobachtung der aktuellen Lage bieten erste Anhaltspunkte, um gängige Fehler im Umgang mit ISC2 vorzubeugen. Dennoch sollten Spediteure und Handelsunternehmen auf lange Sicht verinnerlichen, welche Informationen sie zu welchem Zeitpunkt übermitteln müssen. Nur so können sie die zeitkritischen Prozesse optimal abfertigen, liefersicher bleiben und gesetzte Liefertermine einhalten. Bereits vor der Einführung des neuen Zollsystems war es üblich, sich für verwaltungstechnische Zollangelegenheiten auf einen Logistikdienstleister zu verlassen – das funktioniert unter ICS2 auch weiterhin. Erfahrene Logistiker wie zum Beispiel Rhenus bieten neben jahrelanger Expertise auch Fachpersonal und ausgebildete Ansprechpartner an. Diese können bei allen Fragen rund um die Luftfracht und das neue System fundierte Antworten liefern und Lösungen für eine reibungslose Abwicklung anbieten.
Für ungehinderte Zollprozesse mit ICS2 lohnt es sich, schon im Vorfeld zusammen mit dem jeweiligen Dienstleister eine passende Strategie zu entwickeln. So bereiten sich Unternehmen proaktiv schon auf den finalen Rollout vor und können allen Herausforderungen optimal begegnen.
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