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Interview
Logistik im Dialog

Logistikkonzepte für die Offshore-Windenergiebranche

Autoren:

Wind und Wetter sorgen für erneuerbare Energie auf dem Meer

Die Offshore-Windenergie ist ein wichtiger Bestandteil für die Energiewende. In Deutschland wurden in den vergangenen Jahren jedoch nur wenige neue Offshore-Windparks installiert – doch das ändert sich jetzt. Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland 80 Prozent der gesamtem Stromversorgung betragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Förderung und der stetige Ausbau der Offshore-Windenergie unerlässlich. Das bietet vor allem für Logistikdienstleister ein großes Potenzial, weil sie direkt an der Planung und der Umsetzung des Ausbaus beteiligt sind.

Björn Wittek, Geschäftsführer von Rhenus Offshore Logistics, ist Spezialist für die Logistik des Ausbaus von Offshore-Windkraftanlagen. Er kennt die logistischen Abläufe und weiß, welche Besonderheiten bei der Versorgung von Offshore-Plattformen und Arbeitsplätzen auf hoher See zu beachten sind. Im Interview gibt er einen Einblick in die Logistikkonzepte und Zukunftspläne des Offshore-Windmarkts.

Redaktion: Nach mehreren Jahren Flaute gibt es vor allem seit dem Regierungswechsel und erneut seit Anfang des Jahres wieder einen verstärkten Fokus auf den Offshore-Windmarkt. Welche Entwicklungen verfolgen Sie hier derzeit und welche Bedeutung haben diese für die Offshore-Logistik?

Björn Wittek: Bereits Mitte letzten Jahres hat sich abgezeichnet, dass die Offshore-Windenergie nach einer Flaute insgesamt wieder mehr Aufmerksamkeit in Deutschland erhält. Die Verkündung der neuen Ziele von 30 Gigawatt (GW) für das Jahr 2030 in Deutschland beziehungsweise 20 GW in den Niederlanden sind logische Konsequenzen der kontinuierlichen Kostensenkung seitens der Offshore Industrie in den vergangenen Jahren.

Derzeit verfolgen und begleiten wir gespannt die anstehende Novelle des Wind-auf-See-Gesetzes in Deutschland als wesentlichen regulativen Rahmen für die Industrie. Dieses Gesetz muss den 30-GW-Rahmen bis 2030 ermöglichen, was eine sehr herausfordernde Aufgabe sein wird.

In der Logistik werden wir die Effekte durch den geplanten Zubau erst ab Mitte des Jahrzehnts sehen. Aktuell wird der gesetzliche Rahmen für das Genehmigungsverfahren geschaffen. Bis physische Arbeiten geschehen und logistische Unterstützung benötigt wird, werden jedoch noch einige Jahre ins Land – oder besser auf See – gehen. Fraglos werden die zusätzlichen Windkraftanlagen im Nachhinein einen weiteren Bedarf an Umschlagskapazitäten und Logistikdienstleistungen in den Häfen und auf See generieren.

Redaktion: Welche logistischen Herausforderungen müssen für den Rückbau und den Betrieb von Offshore-Windparks berücksichtigt werden?

Björn Wittek: Eine gute Frage, die sich aktuell nicht vollumfänglich beantworten lässt. Es ist noch nicht klar, welche spezifischen Aufgaben sich durch das neue Genehmigungsverfahren ergeben und wie weit der Rückbau dann gehen muss. Beispielsweise muss noch geklärt werden, ob die Fundamente und der Kolkschutz, der oft auf vielen Tausend Tonnen Wasserbausteinen angebracht ist, vollauf entfernt werden muss oder nicht. Auch ist unklar, ob die Seekabel geborgen werden müssen. Natürlich steuern wir hier gerne unser Know-how bei, sowohl in den Fachverbänden als auch direkt als Beratungsleistungen.

Aus logistischer Perspektive werden wir es in vielen Fällen mit einem „Aufbau rückwärts“ zu tun haben, teils unter verschärften Bedingungen. Verbindungsschrauben sind zum Beispiel nach zwanzig Jahren auf See festgerostet. Techniker, die die Anlagen vor zwanzig Jahren aufgebaut haben, sind möglicherweise gar nicht mehr im Dienst. Und besonders wichtig: Anders als im Aufbau ist der Rückbau eine reine Kostenoptimierung. Der Windpark hat sein Geld bereits verdient. Jeder Euro, der für den Rückbau ausgegeben werden muss, schmälert die Gesamterträge. Der Kostendruck wird massiv sein.

Redaktion: Worin besteht, sowohl beim Aufbau als auch beim Rückbau von Offshore-Windparks, der Vorteil, die Logistik mit einem spezialisierten Dienstleister wie Rhenus zu realisieren?

Björn Wittek: Wir haben um die 100 Team-Jahre Offshore-Erfahrung in der Rhenus Offshore Logistics – plus die vielen, vielen Jahre, über die unsere Kollegen an den verschiedenen Standorten verfügen. Wir wissen, was wir machen. Offshore-Logistik ist letztlich nichts anderes als spezialisiertes Projektmanagement und die Koordination von Subunternehmern. Erfahrung ist für uns ein wichtiges Gut.

Redaktion: Welche Ziele hat sich die Offshore-Logistik für die Energieversorgung gesetzt? Haben sich diese Ziele durch die aktuelle Energiemarktlage und vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Kriegs verändert und wie können diese Ziele erreicht werden?

Björn Wittek: Die Offshore-Windenergie in Deutschland soll bis zum Jahr 2030 auf 30 GW, bis 2035 auf 40 GW und bis 2045 auf 70 GW ausgebaut werden – ausgehend von heute etwa acht GW. Bedingt durch die relativ hohe Energieausbeute im Offshore-Segment können um die 3.500 Volllaststunden pro Jahr realisiert werden. Ein Ausbau ist somit sehr sinnvoll, bringt aber auch erhebliche Probleme mit sich.

Um diese Strommengen ableiten zu können, bedarf es nicht nur der Stromnetze vor der Küste, sondern auch landseitig bis hinunter nach Bayern. Wir benötigen sowohl offshore als auch onshore eine große Zahl neuer Konverter-Plattformen, viele Tausend Kilometer an See- und Landkabeln, das wird alles nicht ganz einfach werden. Und angesichts der langen Vorlaufzeiten für solche Projekte wird es auf jeden Fall sportlich werden, das Ausbauziel bis 2030 zu erreichen. Zumal die Technik, die 2030 in den Dienst gehen soll, im Prinzip schon in drei bis vier Jahren bestellt werden muss, um den Produktionszeiten gerecht werden zu können.

Redaktion: Welche Projekte haben Sie als Geschäftsführer der Rhenus Offshore Logistics bislang im Bereich der Offshore-Windkraft realisiert und was steht noch an?

Björn Wittek: Wir sind Ende des Jahres 2013 gestartet und haben an einer Vielzahl von Plattformprojekten mitgewirkt, praktisch immer in Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen in den Häfen, aus unserem Zollbereich und aus der Entsorgung (über unsere Schwesterfirma REMONDIS). Das wollen wir auch in Zukunft weiterführen.

Aktuell sind wir insbesondere mit Aktivitäten wie der Verbringung von Seezeichen, der Bereitstellung von Fachpersonal oder mit Projektmanagementleistungen befasst, zum Teil direkt bei unseren Kunden, on- wie offshore. Dieses eher kleinteilige Geschäft ist primär der Tatsache geschuldet, dass aktuell keine Großprojekte in Bau sind oder diese gerade erst in Bau gehen.

Was wir geschafft haben, ist ein erfolgreicher Eintritt in den neuen Offshore-Markt in Taiwan. Seit April 2022 wird einer unserer Mitarbeitenden fest vor Ort stationiert sein. Er unterstützt und realisiert in Zusammenarbeit mit den europäischen Kolleginnen und Kollegen und der taiwanischen Einheit lokale Projekte.

Wir schauen natürlich auch immer, ob sich ein Markteintritt in andere Offshore-Märkte lohnt. Letztlich ist es immer eine Frage, ob wir den potenziellen Kunden vor Ort einen zusätzlichen Nutzen bieten können. Nicht alle Märkte sind geeignet für uns: Ein wesentlicher Zusatznutzen lässt sich dann generieren, wenn wir Leistungen kombinieren und für mehrere Kunden gleichzeitig erbringen können. Wenn das geografisch nicht möglich ist, stellt das eine große Hürde für uns dar.

Redaktion: Welche langfristigen Entwicklungen sehen Sie für den Offshore-Windmarkt?

Björn Wittek: Meiner Einschätzung nach werden wir ab Mitte der 2020er einen deutlichen Ausbau im Offshore-Windmarkt sehen. Ob wir die gesteckten Ziele bis 2030 erreichen, halte ich für durchaus fraglich. Ich glaube eher, dass der Markt erneut auf ein „Boom and Bust“-Modell zustrebt, das wir in Deutschland schon erlebt haben und eigentlich nicht wieder wollen. Eine etwas abgeflachtere und dafür kontinuierlichere Ausbaukurve hätte ich für sinnvoller erachtet. Aber es gilt die alte Regel: Ambitionierte Ziele führen auch zu ambitionierten Leistungen. Ich würde mich freuen, wenn wir die 30 GW erreichen oder sogar übertreffen könnten.

Spannend wird aus logistischer Perspektive die Frage, ob der Gesetzgeber auf lange Sicht eine Ko-Nutzung genehmigen wird, sprich: die Mehrfachnutzung von Flächen in Offshore-Windparks, zum Beispiel für Aquakulturen, schwimmende Photovoltaikanlagen oder Strömungsturbinen unter Wasser. Eine Zulassung solcher Systeme würde aus meiner Sicht den Offshore-Markt generell stark wachsen und „bunter“ werden lassen – und natürlich einen deutlichen Mehrbedarf an Offshore-Logistik generieren.

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