Hafen Kehl: Pionier der AbfallbrancheHafen Kehl: Pionier der Abfallbranche
Reportage
Logistik in Aktion

Ein Hafen als Pionier der Abfallbranche

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Die Zukunft im Blick: Spezialanlage in Kehl setzt neuen Standard für die Logistik- und Abfallbranche

Teerhaltige Stoffe aus dem Straßenbau und Rückstände im Erdreich einer Tankstelle: Solche Bauabfälle bedürfen einer speziellen Behandlung unter strengen Auflagen, bevor sie entsorgt oder wiederverwendet werden können. Rhenus Logistics und die Geiger Unternehmensgruppe haben sich auf den Umschlag und die Behandlung von diesen Abfallstoffen spezialisiert. Aus diesem Grund wurde dort eine neue Abfallumschlags- und -behandlungsanlage eröffnet. Als eine der fortschrittlichsten ihrer Art in Deutschland setzt sie einen neuen Standard für die Arbeit mit mineralischen Abfällen, etwa aus dem Straßen- und Tiefbau.

Das Hafengelände in Kehl zeigt sich von seiner besten Seite: Strahlend blauer Himmel und glitzerndes Wasser prägen das Bild entlang der Kaimauern. Schon früh am Morgen kitzeln die Sonnenstrahlen auf der Haut und sorgen für Sommergefühle. In unmittelbarer Entfernung, auf der anderen Seite des Rheins, befindet sich Frankreich – das Savoir-vivre ist zum Greifen nah und für das perfekte Urlaubsfeeling fehlt nur noch der weiße Strand. Davon fehlt aber weit und breit jede Spur. Stattdessen befinden sich in einer großen Halle hohe Berge aus Erde, Bauschutt und aufgebrochenem Asphalt.

 

Geräumiges Lager in der neuen Spezialanlage in Kehl

Ein Blick in die geräumige Lagerhalle der neuen Spezialanlage.

Der Schutz von Natur und Umwelt steht an erster Stelle

Bei dem gelagerten Material handelt es sich um Abfälle, die typischerweise auf Baustellen entstehen, wie zum Beispiel Bodenaushub, Asphalt oder Bauschutt, der vor Ort nicht mehr verwendet werden kann. Um die enthaltenen Wertstoffe nicht zu verlieren, sondern weiterhin nutzen zu können, müssen die Materialien aufbereitet und die einzelnen Bestandteile anschließend an ihren weiteren Einsatzort gebracht werden. Damit das reibungslos funktionieren kann, sind eine ausgefeilte Logistik und spezielle Erfahrung im Bereich der Abfall- und Entsorgungswirtschaft erforderlich.

Vor einigen Jahren wurden in Baden-Württemberg bestehende Gesetze und Regelungen verschärft, die den Schutz der Natur in den Vordergrund stellen. Sie zielen darauf ab, bei der Arbeit mit Abfällen möglichst staubfrei zu arbeiten und dadurch eine Kontamination der Umwelt und des Rheins zu vermeiden. Die Arbeitsabläufe müssen so gestaltet sein, dass die Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) und der Industrieemissions-Richtlinie (IED) eingehalten werden.

Mit vereinten Kräften: Teamwork führt zum Erfolg

Aus diesem Grund haben sich der Logistikdienstleister Rhenus Port Logistics Rhein-Neckar und die in der Baubranche aktive Geiger Unternehmensgruppe bereits im Jahr 2014 dazu entschlossen, eine gemeinsame Abfallumschlags- und -behandlungsanlage zu errichten, die den aktuellen Vorgaben entspricht. Rhenus ist bereits seit 2012 am Kehler Hafen vertreten und betreibt dort ein eigenes Terminal. Sieben Jahre hat es schließlich gedauert, bis das umfangreiche Genehmigungsverfahren nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem Bundes-Immissionsschutzgesetz durch das Regierungspräsidium Freiburg abgeschlossen war und der Bauprozess im Sommer 2021 beginnen konnte. Nach sechs Monaten Bauzeit wurde die Anlage zum Ende des Jahres fertiggestellt und ist seit Januar 2022 in Betrieb.

Neuer Standard für die Zukunft

„Wir haben in Kehl eine der modernsten Abfallumschlags- und -behandlungsanlagen trimodaler Art in Deutschland eröffnet. Wir sind damit auf dem neusten Stand der Technik und in einer Vorreiterrolle. Das wird künftig der neue Standard sein“, sagt Uwe Veith, Geschäftsführer von Rhenus Port Logistics Rhein-Neckar. Bei einer Investitionssumme von mehr als fünf Millionen Euro und mit hochmoderner technischer Ausstattung erfüllt die Anlage die höchsten geltenden Standards und ist damit in Deutschland (nahezu) einzigartig. Bei einer Last von maximal 300 Tonnen pro Stunde können in der Halle pro Jahr bis zu 250.000 Tonnen Material umgeschlagen werden.

Damit das Abfallumschlags- und Abfallbehandlungsverfahren reibungslos abläuft, übernimmt Rhenus Port Logistics Rhein-Neckar die Logistik innerhalb der Anlage sowie alle umschlags- und wassernahen Dienstleistungen für die Geiger Unternehmensgruppe, die der alleinige Betreiber der Anlage ist und für den Input und Output des Abfalls sorgt. Zudem verantwortet Geiger die Abfallbehandlung und die wegen der komplizierten Genehmigungssituation geforderte umfassende Dokumentation samt Entnahme von Rückstellproben.

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Zahlen & Fakten über die neue Abfallumschlags- und Abfallbehandlungsanlage am Hafengelände in Kehl:

  • IED-Anlage (Industrial Emissions Directive, nach der Industrieemissionsrichtlinie)
  • 6.000 Quadratmeter großer Lagerbereich
  • 250.000 Tonnen maximales Umschlagsvolumen pro Jahr
  • 300 Tonnen maximale Last der Anlage pro Stunde
  • Investitionssumme: 5 Millionen Euro

Vom Oberrhein an den Kehler Hafen

Der Abfall, der seit Januar 2022 in der Anlage am Kehler Hafen konditioniert – also gesiebt, gebrochen und homogenisiert – wird, stammt aus der Region Oberrhein, die sich von Basel in der Schweiz bis nach Bingen in Deutschland erstreckt. Dafür bringen Lkw die Abfälle von den einzelnen Baustellen in die Anlage nach Kehl. Wenn die Fahrzeuge am Hafengelände ankommen, wird die Ladung gewogen und im System erfasst, bevor sie an der entsprechenden Stelle in der Halle abgeladen wird. Der abgeladene Abfall wird anschließend gesiebt und von den Siebfraktionen werden Proben genommen und analysiert, um die Belastung durch gefährliche Stoffe festzustellen. Beim Verlassen der Lagerhalle bekommen die Lkw noch eine Reifenwäsche, damit Staub oder Partikel, die an den Reifen der Fahrzeuge haften, nicht nach draußen gelangen können.

Gefährliche Abfälle wie Asphalt lagern in einem gesonderten Bereich

Gefährliche Abfälle, wie zum Beispiel teerhaltiger Asphalt, lagern in einem gesonderten Bereich in der Halle. (Foto: Christoph Breithaupt/vor-ort-foto.de)

Sicherheit steht an erster Stelle

Die etwa 6.000 Quadratmeter große Lagerhalle ist in zwei Bereiche unterteilt: Auf der einen Seite lagern die nicht gefährlichen Abfälle, daneben in einem abgetrennten Raum die gefährlichen Abfälle. Auch wenn das Wort „gefährlich“ vermuten lässt, dass hier möglicherweise chemische, giftige oder explosive Materialien lagern, trifft dies nicht zu.

Martin Haberstock
Bei allen Abfällen, die hier lagern oder umgeschlagen werden, handelt es sich um mineralische Stoffe, also geruchsarme und nicht brennbare Materialien.
Martin Haberstock | Technischer Geschäftsfeldleiter Entsorgung bei der Geiger Unternehmensgruppe
Verschiedene Schichten des Asphalt

Zu den gefährlichen Abfällen zählen beispielsweise Materialien, die mit PAK (Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe) belastet sind, wie etwa teerhaltiger Asphalt – auch „schwarze Masse“ genannt. Je näher man sich den aufgeschütteten Haufwerken mit dem gebrochenen Asphalt nähert, desto mehr nimmt man den Geruch wahr, den das Material absondert. Wenige Meter weiter ist davon nichts mehr zu riechen.

Die Aufnahme zeigt die einzelnen Schichten, aus denen der Asphalt besteht. Im weiteren Verlauf der Arbeiten werden die Materialien voneinander getrennt. Vor allem in den Niederlanden sind die Kieselsteine ein beliebtes Baumaterial.

Ein Rundgang innerhalb der Anlage zeigt, dass der Bereich für die nicht gefährlichen Stoffe wesentlich größer ausfällt als der Lagerplatz für die gefährlichen Abfälle. In der Halle werden etwa 20 Prozent gefährliche und 80 Prozent nicht gefährliche Stoffe umgeschlagen. Durch einen Luftschleiervorhang, ähnlich wie beim Eingang eines Kaufhauses, wird sichergestellt, dass keine Partikel aus dem Bereich für die gefährlichen Abfälle entweichen und in den anderen Teil der Anlage geraten.

Grafik Entstaubung und Beladung
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Die Geiger Unternehmensgruppe:

  • 3.500 Mitarbeiter
  • 100 Standorte in Deutschland und Europa
  • 700 Millionen Euro Umsatz jährlich
  • 100 Jahre Erfahrung

Staubfrei und sicher: hochmoderne Behandlung für den Abfall

Abfall wird durch ein grobmaschiges Gitter gesiebt

Nachdem das Material mit dem Lkw am Hafengelände in Kehl angekommen ist, befördert ein Radlader den abgeladenen Abfall zu einem grobmaschigen Gitterrost, wo er gesiebt wird. Große Steine bleiben zurück und werden aussortiert. Dadurch können sie bei der späteren Verladung keine Schäden anrichten. Beim Verladen über die gekapselte Förderanlage wird das Material nochmals über ein Gitterrost aufgegeben. Damit während des Vorgangs kein Staub entweichen kann, ist oberhalb des Gitterrosts eine Absauganlage eingebaut. Sie funktioniert wie eine Dunstabzugshaube und sorgt dafür, dass sich kleine Teilchen nicht unkontrolliert im Raum verteilen können.

Anschließend landet der Abfall mithilfe eines Trichters auf dem Förderband. Von dort aus wird er in kaskadenartigen Abschnitten mit dem gekapselten Förderband transportiert. Das Förderband ist komplett verschlossen und verfügt über eine Entlüftungsanlage, die permanent Luft absaugt, um zu verhindern, dass Staub austritt. Da das Förderband nur in unbeladenem Zustand übers Wasser geschwenkt wird, ist ausgeschlossen, dass Schadstoffe in die Umgebung entweichen oder ins Wasser gelangen. Am Ende landet der Abfall auf einem der Verkehrsträger: Schiff oder Bahn.

Abgassystem verhindert das Entweichen von Schadstoffen in die Umwelt

Der Blick von unten in die Absauganlage.

Klimafreundlicher Schiffstransport auf dem Rhein

Foto: Christoph Breithaupt/vor-ort-foto.de

Für längere Transportwege setzen Rhenus und die Geiger Unternehmensgruppe auf den Einsatz von Binnenschiffen, die jeweils 3.000 bis 3.500 Tonnen Abfall transportieren können und dadurch 140 Lkw-Fuhren einsparen. Die Schiffe fahren das Material auf dem Rhein in Richtung Nordrhein-Westfalen (Deutschland) und in die Niederlande, wo es im Rahmen anderer Bauprojekte wiederverwendet werden kann. „Kies ist zum Beispiel ein sehr begehrter Rohstoff für die Niederlande, weil er dort natürlicherweise nur sehr wenig vorkommt. Das bietet für uns einen guten Absatzmarkt und sichert uns dadurch eine bestimmte Menge an Schiffstransporten“, erklärt Matin Haberstock von der Geiger Unternehmensgruppe. Kurze Transportwege werden auch weiterhin mit dem Lkw zurückgelegt, wenn Abfall in die nähere Umgebung der Abfallumschlags- und -behandlungsanlage transportiert werden soll.

Uwe Veith
Mit dieser Anlage haben wir einige Tausend Lkw von der Straße genommen und aufs Wasser verfrachtet. Dadurch gestalten sich die Transportwege insgesamt deutlich umweltfreundlicher.
Uwe Veith | Geschäftsführer der Rhenus Port Logistics Rhein-Neckar

Für die neue Anlage haben Rhenus Logistics und die Geiger Unternehmensgruppe einen 10-Jahres-Vertrag geschlossen. „Wir glauben, dass in zehn oder zwanzig Jahren viele weitere Anlagen dieser Art in Deutschland und Europa zu finden sein werden“, erklärt Christof Blesch von Rhenus Port Logistics Rhein-Neckar.

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