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Interview
Logistik im Dialog

Digitalisierung in der Holzlogistik

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Von der Tradition zur Moderne: Technische Innovationen gestalten die Holz- und Forstwirtschaft völlig neu

Smartphones, die Nutzung von Apps sowie eine papierlose Kommunikation sind mittlerweile in vielen Arbeitsbereichen zum Standard geworden. Und das gilt auch für die Holzlogistik? Naturgemäß lassen sich Bäume nicht in elektronische Datenströme oder digitale Prozesse verwandeln, aber auch in der Forstwirtschaft findet ein digitaler Wandel statt. Im Interview verrät Heiner Höfkes, Managing Director bei Rhenus Forest Logistics, welche technischen Innovationen in der Holzlogistik schon jetzt zum Einsatz kommen und welche Neuerungen in der Zukunft geplant sind.

Redaktion: Die Medien haben in den vergangenen Jahren immer wieder darüber berichtet, dass Holz zur Mangelware geworden ist. Ist der Rohstoff Holz tatsächlich so knapp?

Heiner Höfkes: Holz ist nicht gleich Holz. In den Medien ging es hauptsächlich um Bauholz und das war aufgrund der hohen Nachfrage tatsächlich knapp. Hauptsächlich lag das aber einfach daran, dass viele Menschen während der Pandemie nicht in den Urlaub fahren konnten und stattdessen zu Hause renoviert haben – und dafür viel Bauholz gekauft haben. Durch diese erhöhte Nachfrage ist auch der Holzpreis stark angestiegen und hat sich teilweise sogar verdreifacht. Insgesamt hat sich dadurch der Eindruck ergeben, dass Holz ein knappes Gut wäre – aber das betrifft hauptsächlich das Bauholz. Der Rohstoff Holz an sich, also die Baumstämme aus den Wäldern, waren hingegen ausreichend vorhanden. Genau genommen gab es sogar sehr viel Holz hier bei uns in Deutschland. Wenn viel Bauholz geschnitten wird, fällt auch viel Sägerestholz an – und da gab es keinen Engpass. Im europäischen Vergleich ist Deutschland immerhin eines der waldreichsten Länder und sogar das Land mit dem meisten Holzvorkommen. In den vergangenen Jahren wurde aus Deutschland eine beachtliche Menge Holz exportiert, was aber leider damit zu tun hat, dass die Bäume mit der Trockenheit nicht gut zurechtkommen und deshalb anfälliger für Schädlinge wie dem Borkenkäfer sind und gefällt werden müssen.

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Zahlen und Fakten über den Rohstoff Holz in Deutschland

  • Ein Drittel der Landesfläche (11,4 Millionen Hektar) besteht aus Wald
  • Deutschland ist europaweit das Land mit dem meisten Holzvorkommen
  • 90 Milliarden Bäume wachsen in deutschen Wäldern
  • In sechs Sekunden wächst in deutschen Wäldern eine komplette Lkw-Ladung Holz nach
  • Der in Deutschland bewirtschaftete Wald spart pro Jahr 120 Millionen Tonnen CO2 ein – das sind 15 Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes des Landes

Redaktion: Welchen Einfluss hat der Borkenkäfer auf die Holzindustrie?

Heiner Höfkes: Die Auswirkungen aufgrund des Befalls durch den Borkenkäfer sind in unseren Wäldern deutlich zu sehen und zu spüren. Vor allem die Fichte wurde dabei stark in Mitleidenschaft gezogen. Das ist ein großes Problem für die Holzindustrie, weil ein Großteil der Sägewerke in Deutschland überwiegend mit Fichtenholz arbeitet: Die Bäume wachsen schnell und gerade und sind dadurch optimal für die Maschinen der Sägewerksindustrie geeignet. Ist ein Baum aber vom Borkenkäfer befallen, muss er möglichst schnell geerntet werden – und meistens passiert das deutlich früher, als der Baum eigentlich hätte gefällt werden sollen.

In Deutschland werden jährlich etwa 80 Millionen Festmeter Holz eingeschlagen – zuletzt war etwa die Hälfte davon Kalamitätsholz, also vom Borkenkäfer befallenes Holz. Anders als vielleicht angenommen, kann Borkenkäferholz aber von fast allen Industrien noch weiterverwendet werden. Auch im Ausland ist das Material sehr gefragt: Wir haben in den vergangenen Jahren so viel Holz wie nie zuvor nach Asien und in die USA exportiert. Auch bei der Rhenus Gruppe hatten wir dadurch im Bereich der Exportlogistik eine Vielzahl an Holztransporten.

Redaktion: Apropos Holztransporte: Wen beliefert Rhenus Forest Logistics mit dem Rohstoff Holz?

Heiner Höfkes: In erster Linie beliefern wir die Industrie und das verarbeitende Gewerbe. Wir bringen also zum Beispiel Holzhackschnitzel als sogenanntes „Vorprodukt“ zu einem Betrieb, der daraus dann Papier oder Hygieneartikel wie Taschentücher und Toilettenpapier oder auch Verpackungsmaterial wie zum Beispiel Eierkartons herstellt. Ein klassisches B2B-Geschäft also, wenn man so will. Dazu fährt normalerweise ein großer Lkw zum Sägewerk und transportiert die Produkte von dort zum Kunden. Dabei handelt es sich meistens um Sägenebenprodukte wie eben Holzhackschnitzel oder auch Sägespäne, die bei der Erstellung von Brettern und Balken anfallen – immerhin 40 Prozent eines Baumes fallen während der Holzverarbeitung als Sägenebenprodukte an. Durch die Akquisition des im Harz ansässigen Unternehmens Bruno Reimann haben wir unser Dienstleistungsportfolio in diesem Bereich ausgeweitet und sind nun auch stärker in der Rundholzlogistik aktiv. Zudem beliefern wir in dieser Region auch Endkund*innen mit Holzpellets und Kaminholz. Letzteres können sie sogar über den Onlineshop erwerben.

Redaktion: Was macht Bruno Reimann als Logistikdienstleister in der Holzbranche besonders?

Heiner Höfkes: Bruno Reimann hat seinen Sitz im Harz, einer waldreichen Region in Deutschland, und realisiert dort die gesamte Holzversorgung. Für die Kundenbelieferung kaufen die Mitarbeiter*innen die Holzpolter – also die großen Holzhaufen aus gefällten Baumstämmen, die man üblicherweise am Wegesrand sieht, wenn man im Wald spazieren geht – direkt von den lokalen Forstbetrieben ein. Anschließend transportieren sie die Rundhölzer aus dem Wald dann per Lkw direkt zum Kunden oder zur Bahn beziehungsweise zum Schiff. Für größere Entfernungen sind diese Verkehrsträger deutlich nachhaltiger als der Transport über die Straße. Das Besondere dabei ist, dass Bruno Reimann drei eigene Gleisanschlüsse besitzt, von denen jährlich 3.000 Güterwaggons nach Deutschland, Dänemark, in die Niederlande, nach Polen und Österreich unterwegs sind. Dadurch können jährlich etwa 1,8 Millionen Kilometer Leerfahrten mit dem Lkw eingespart werden. Das entspricht einem Stau von 930 Kilometern Länge beziehungsweise der Distanz zwischen Oberammergau im Allgäu und Wilhelmshaven an der Nordseeküste.

Redaktion: Wie kommt das Holz eigentlich aus dem Wald zum Bahnhof – oder in den Lkw?

Heiner Höfkes: Im ersten Schritt erhalten die Logistikunternehmen entweder vom Auftraggeber oder vom Forstbetrieb Informationen über die Lagerplätze des Holzes im Wald. Das geschieht vornehmlich über den Austausch von Kartenmaterial, auf dem die Holzpolter eingezeichnet sind. Dabei geht es aber natürlich nicht nur um den Ort, sondern auch immer um die Menge und die Qualität des Holzes. Nachdem die Informationen ausgetauscht sind, fahren die Lkw in den Wald, um die Baumstämme am entsprechenden Ort aufzuladen. Das hört sich jetzt vielleicht einfach an, ist in Wirklichkeit aber ziemlich kompliziert, denn in der Regel haben die Lkw-Fahrer*innen nur einen ausgedruckten Papierzettel in der Hand, auf dem alle wichtigen Informationen stehen: Lage und Menge der Baumstämme beziehungsweise Volumen des Holzpolters. Bei diesem Standardverfahren kann es natürlich auch vorkommen, dass Fahrer*innen im Wald ankommen und sich die Informationen auf dem Zettel als falsch herausstellen: Vielleicht liegt am markierten Standort eine andere Menge Holz als angegeben oder die Baumstämme wurden bereits abgeholt. Das führt zu Frust und unnötigen Leerfahrten, ist aber bis heute ein übliches Vorgehen in der Holzindustrie. Sehr viele Prozesse laufen noch manuell ab und die Unternehmen sind untereinander nicht so gut vernetzt – zumindest nicht digital. Wir haben für uns inzwischen eine digitale Lösung gefunden, die eine bessere Abstimmung zwischen allen Mitarbeiter*innen und auch mit den Fahrer*innen ermöglicht.

Redaktion: Wie sieht diese digitale Lösung aus?

Heiner Höfkes: Wir nutzen eine selbst entwickelte App zur Auftrags- und Polterverwaltung, mit der wir die gesamte Verwaltung der Holzlagermengen im Wald besser managen und gleichzeitig auch mit unseren Fahrer*innen kommunizieren und ihnen Aufträge übermitteln können. In das App-System werden die einzelnen Polter mit Nummer, GPS-Koordinaten und der entsprechenden Holzmenge eingetragen bzw. eingelesen. Dadurch generieren wir sozusagen eine „digitale Karte“, die den Fahrer*innen zusätzlich auch ihren eigenen Standort und die kleinen Waldwege anzeigt. Weil die App auch offline funktioniert, ist die Orientierung im Wald jederzeit möglich. Die verschiedenen Mengen und Lagerplätze werden innerhalb der App zu einem Auftrag zusammengefasst und den Fahrer*innen zugeteilt – so kennt jede*r genau die Route und die Holzmenge, die er aufnehmen soll. Die Fahrer*innen geben dann anschließend im System ein, welche Mengen sie jeweils geladen haben.

Zusätzlich ist die App auch verknüpft mit den Telematik-Daten des jeweiligen Fahrzeuges, das heißt der Lkw kann zum Beispiel Informationen über den eigenen Standort senden oder dem digitalen System mitteilen, wie viel Holz aktuell geladen ist. Während jemand den Lkw belädt, kann das Fahrzeug also ein Update geben, ob sich das Holz auch dort befindet, wo es laut Plan sein soll, und gibt dabei gleichzeitig auch die Information weiter, dass der Kran aktuell Holz auflädt.

Redaktion: Worin liegt der Vorteil bei der Nutzung der App?

Heiner Höfkes: Der Hauptvorteil liegt dabei ganz klar im zeitnahen Informationsaustausch zwischen dem Auftraggeber, dem Logistikdienstleister und den einzelnen Fahrer*innen. Es ist für alle Beteiligten ein enormer Gewinn, möglichst sofort zu wissen, ob und welche Menge Holz an einem bestimmten Ort liegt. Das verhindert unnötige Fahrten und führt zu einer besseren Planung der Routen sowie zu einer deutlich besseren Lagerhaltung. Die Digitalisierung bedeutet im ersten Stepp eine sehr gründliche Prozessaufnahme und -optimierung, um die Vorgänge danach weiter zu standardisieren bzw. zu automatisieren. Wichtig ist es, dass wir auch alle Stakeholder von dem Prozess begeistern. Bekanntlich ist ein System nur so gut, wie die Daten, die ihm zur Verfügung stehen. Sofern es (noch) nicht automatisch funktioniert, ist es erforderlich, dass jede*r Einzelne ihre*seine Aktivitäten auch direkt im System einträgt, damit alle Beteiligten immer auf dem aktuellen Stand sind. Eine zeitliche Verzögerung zwischen dem tatsächlichen Beladen des Lkws und der Erfassung im System kann dabei zu Fehlern oder einer falschen Planung führen.

Mit der App sind wir prinzipiell in der Lage, den gesamten Lieferprozess digital abzubilden. Wir können zum Beispiel einen elektronischen Lieferschein für unsere Kunden ausstellen oder die Empfänger auf dem Tablet unterschreiben lassen, wenn sie ihre Ware bekommen haben. Leider funktioniert das in der Praxis noch nicht jedes Mal so, wie wir es uns vorstellen. Viele unserer Kunden sind selbst noch nicht so digital aufgestellt. Dadurch können wir die Systeme nicht miteinander verbinden und senden ihnen stattdessen ganz oldschool einen Lieferschein in Papierform, den wir dann im Nachgang für uns digitalisieren und die Informationen in unserer App speichern. Wir sind aber mit unserer App-Lösung für die Zukunft aufgestellt und begleiten so auch unsere Kunden bei der Digitalisierung ihrer Systeme.

Redaktion: Welche weiteren digitalen Lösungen gibt es innerhalb der Holzlogistik?

Heiner Höfkes: Zwar gibt es bereits verschiedenste Systeme und digitale Speditionen auf dem Markt, aber keine dieser Optionen hat den Markt bisher revolutioniert oder unsere Anforderungen erfüllt. Wir bieten ja nicht nur die logistischen Dienstleistungen für unsere Kunden an, sondern übernehmen auch alle Leistungen rund um die Beschaffung und den Handel mit dem Rohstoff Holz. Aus diesem Grund haben wir eine eigene App entwickelt, mit der wir unsere Holzmengen verwalten und die Lkw-Fahrten organisieren.

Inzwischen gibt es sogar Apps, mit denen man einen Holzpolter fotografiert und die einem dann direkt das Volumen der Baumstämme berechnen, die dort liegen. Aber auch Harvester sind teilweise schon mit digitalen Features ausgestattet: Während sie zum Beispiel einen Baumstamm abschneiden, entasten oder die Rinde entfernen, können sie auch direkt seinen Durchmesser ermitteln – dadurch weiß der Förster ganz genau, wie viel Volumen Holz er geerntet hat, und kann diese Information entsprechend an uns als Logistikdienstleister weitergeben. Das könnten nächste Integrationsschritte sein. Außerdem gibt es bereits Ansätze, dass Drohnen durch den Wald fliegen und erkennen können, wie viele Bäume in dem Forstrevier stehen, und dabei das Volumen der Baumstämme ausmessen. Anhand dieser Information können Holzvorräte bzw. Erntemengen im Vorfeld genauer und schneller bestimmt werden. Dieses Vorgehen erleichtert die Kalkulationen und die logistischen Planungen.

Redaktion: Wie wird sich die Holzlogistik Ihrer Meinung nach in Zukunft entwickeln?

Heiner Höfkes: Der Verkehrsträger Lkw ist in der Holzlogistik unverzichtbar, weil er als einziges Transportmedium die Möglichkeit bietet, den Rohstoff Holz schnell und unkompliziert aus den Wäldern zu transportieren. Allgemein wird in der Lkw-Logistik noch immer sehr viel analog gemacht. Sowohl in der Lkw- als auch in der Holzlogistik wird sich die Digitalisierung der Prozesse in den nächsten Jahren aber deutlich weiterentwickeln.

Zum Beispiel versucht man, eine Baumstammerkennung zu entwickeln – also quasi einen digitalen Fingerabdruck entlang der Supply Chain. Dadurch kann man dann immer nachvollziehen, wo der Baum gewachsen ist, wohin er transportiert und an welcher Stelle er letztlich auch verarbeitet wurde. Es gibt sogar schon Brillen, die ähnlich wie VR-Brillen funktionieren und den Fahrer*innen das Aufladen von Baumstämmen erleichtern. Sie bleiben dabei ganz bequem in ihrer Kabine sitzen und setzen sich diese Brille auf, die mit einer Kamera am Kran verbunden ist. Dadurch, dass das Kamerabild in die Brille übertragen wird, sehen die Fahrer*innen aus ihrer Fahrerkabine heraus alles so, als würden sie oben auf dem Kran sitzen und von dort aus die Baumstämme aufladen. Das ist vor allem bei schlechtem Wetter sehr praktisch. Besonders im Hinblick auf den Fahrermangel in der Branche wäre der nächste Schritt dann, dass ein*e Lkw-Fahrer*in in den Wald zum Holzpolter fährt, dort Mittagspause macht und währenddessen jemand aus dem Büro mithilfe dieser Telematik das Fahrzeug beladen kann. Dadurch werden die Fahrer*innen entlastet und die Prozesse laufen insgesamt effizienter ab. Ganz ausgereift ist das System unserer Ansicht nach bisher jedoch noch nicht. Zudem sind auch die Netzqualitäten in vielen Regionen noch nicht ausreichend.

Auch für Rhenus Forest Logistics sehen wir ein deutliches Entwicklungspotenzial in der Zukunft. Durch die Akquisition von Bruno Reimann bauen wir unsere Kompetenz im Bereich der Holzlogistik weiter aus und dringen noch tiefer in die Wertschöpfungskette ein. Hierdurch können wir unseren Kunden eine noch bessere Dienstleistung anbieten. Aus technischer Sicht ist unser Ziel ganz klar eine lückenlose Digitalisierung der Prozesse. Wir bleiben aber natürlich auch weiterhin gespannt, wie sich die Technik innerhalb der Branche in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entwickelt und welche Anforderungen unsere Kunden an uns stellen – Lösungen werden wir haben.

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