Logistik am Anschlag: Wie die Geschenke pünktlich unter den Weihnachtsbaum kommen

Alle Jahre wieder ist es so weit. Kurz vor Weihnachten wollen die letzten Geschenke für die Liebsten besorgt werden – sei es im stationären Handel oder bequem von zu Hause aus per Online-Bestellung. CDs, Elektronikartikel oder auch Bücher: Damit die Präsente rechtzeitig bis zum 24. Dezember auf dem Gabentisch liegen, ist eine ausgeklügelte Logistik erforderlich.

Aktionstage wie Black Friday und Cyber Monday sowie Feiertage wie Weihnachten und Ostern sind nicht nur für Händler und Lieferanten eine Herausforderung, sondern erfordern auch ein besonders hohes Organisationsgeschick der Logistikdienstleister. Schließlich gilt es, die Zahl möglicher Bestellungen von Verbraucher*innen so genau wie möglich vorauszukalkulieren und das entsprechend benötigte Personal bereitzuhalten. Nur so können Endkund*innen online bestellte Ware innerhalb weniger Tage erhalten. Und auch der stationäre Handel benötigt regelmäßig Nachschub für seine Filialen.

Das Weihnachtsgeschäft ist für den Einzelhandel traditionell die umsatzstärkste Zeit des Jahres. Spielwaren- und Buchhändler erzielen sogar rund ein Viertel ihres Jahresumsatzes im November und Dezember.1 Denn trotz zahlreicher Unterhaltungsangebote greifen laut Statista auch 2022 noch mehr als 27 Millionen Deutsche mindestens einmal pro Woche zum Buch.2 Doch wie gelingt die pünktliche Auslieferung von Büchern, wenn die Bestellungen im Weihnachtsgeschäft sprunghaft in die Höhe schießen?

Drei Wochen vor Weihnachten startet die Peak Season

Rhenus Logistikzentrum Hörselgau

Hörselgau, Mitte November 2022: Im Logistikzentrum der Rhenus Warehousing Solutions ist Ruhe vor dem Sturm eingekehrt. „Bei uns dreht sich alles um die drei Wochen vor dem 24. Dezember“, erklärt Niederlassungsleiter Florian Schneider. Das Weihnachtsgeschäft ist die Peak Season für den Standort. In dieser Zeit werden im Vergleich zum Jahresdurchschnitt doppelt so viele Mitarbeitende benötigt, um das hohe Bestellvolumen abzuwickeln.

Ein Großteil der Geschäftsaktivitäten im Lager dreht sich um gedruckte Bücher, E-Books sowie Geschenkartikel, die im Buchhandel angeboten werden. Das Logistiklager fungiert seit vielen Jahren als Zentrallager für ein renommiertes Buchhandelsunternehmen. Von hier aus bedient der Logistikdienstleister das Filialgeschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz – mittlerweile sind dies rund 450 Filialen. Hinzu kommt das Omnichannel-Geschäft, wenn ein Kunde Buchexemplare zur Selbstabholung in die Filiale bestellt. Darüber hinaus übernehmen Florian Schneider und sein Team die logistische Abwicklung der Online-Bestellungen. So verlassen mehrere hunderttausend Artikel und zehntausende Versandeinheiten täglich das thüringische Lager.

Um einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, geht das Logistikzentrum in der Weihnachtssaison vom Zwei- in den Dreischichtbetrieb. An sechs Tagen in der Woche werden die eingehenden Bestellungen rund um die Uhr bearbeitet. So gelingt es, Bestellungen innerhalb von sehr kurzen Zeitfenstern zu bearbeiten und Bücher, Geschenke oder E-Reader im Warenausgang zügig für die Zustellung bereitzustellen. Filialen können Bücher noch bis zum Vorabend bestellen, um diese am nächsten Tag zu erhalten. „Die High Season geht bis zum Tag vor Heiligabend. Am 24. Dezember werden immer noch Waren in die Filialen geliefert und dort verkauft“, so Schneider.

Logistik für den Buchhandel

Lagerlogistik, Kommissionierung, Verpackung

Neben klassischer Lagerlogistik, Kommissionierung, Verpackung und Zollabwicklung gehören Mehrwertleistungen wie die Auszeichnung von Preisen, Folierungen und das Zusammenstellen von Verpackungseinheiten zu den angebotenen Services für den Buchhandel. Nicht nur Hard und Soft Cover, auch Geschenkartikeln und E-Reader zählen zum Sortimentsmix. Hierfür erfolgt in Hörselgau die Wiederaufbereitung von Geräten (Refurbishment) sowie das Aufspielen von Software-Updates. 

Doch wann genau beginnt die Planung für das Weihnachtsgeschäft? „Erst kürzlich, Anfang November, haben wir mit den Vorbereitungen begonnen“, erzählt Florian Schneider und fügt schmunzelnd hinzu: „Allerdings nicht für dieses Jahr, sondern für die Weihnachtssaison 2023.“ Dabei geht es darum, interne Prozesse zu überprüfen und Möglichkeiten zu finden, eigene Systeme weiter zu optimieren, um das wachsende Geschäft bestmöglich im Logistikzentrum abdecken zu können und für die Mitarbeitenden zu vereinfachen. Neue Lager- oder Fördertechnik wie beispielsweise Autostore oder Shuttlelager bedürfen aufgrund der gestiegenen Liefervorlaufzeiten teilweise sogar noch längerer Vorbereitungsphasen vor ihrer Einführung.

Bereits mehrmals hat sich der Standort baulich erweitert: 2011 startete er noch in zwei Hallen. Nachdem die Kapazitäten bald ausgeschöpft waren, folgte 2015 ein weiterer Hallenbau und 2017 ein größerer Umbau. Die Auslieferung von Gesellschaftsspielen ist aus Wachstumsgründen mittlerweile im benachbarten Eisenach angesiedelt. Neben dem Ausbau der Lagerkapazitäten wurde die Automatisierung von Arbeitsschritten vorangetrieben, denn ein hoher Grad an automatisierten Abläufen erleichtert die Logistik vom Bestelleingang bis zum Warenausgang. Die jüngste Investition sind – erst vor wenigen Wochen eingetroffen – 275 autonome Roboter. Ihre Feuertaufe steht unmittelbar bevor.

Autonome Roboter unterstützen Kommissionierung

Die Roboter sollen künftig den Kommissionierprozess unterstützen. Sie steigern die Produktivität, indem Gehzeiten von Picker*innen, die die Artikel aus den Regalen entnehmen, verkürzt werden. Dank ihrer verbauten Technik fahren die Roboter komplett selbstständig von Lagerplatz zu Lagerplatz zum jeweiligen Picker. Dieser bekommt auf dem Tablet, den der Roboter mit sich führt, angezeigt, welche Artikel er aus welchem Regal entnehmen und in den Warenkorb, einen Mehrwegbehälter, legen muss. Hierzu werden die Lagerkoordinaten und ein Farbcode angezeigt. Ein Handheld und Kommissionierracks müssen die Mitarbeiter*innen damit nicht mehr mit sich führen. Der Roboter scannt die Produkte und druckt anschließend das richtige Etikett zur Bepreisung aus. Auch Länderspezifika und farblich abweichende Sonderpreise werden dabei berücksichtigt.

Etikett für den Preis

Neben der Verkürzung von Laufwegen bringen die Roboter weitere Vorteile mit, denn normalerweise benötigen Lagermitarbeiter*innen eine Flurförderzeugausbildung. Durch die Unterstützung der Roboter reicht nun ein Picking-Training, ein Staplerschein ist nicht mehr zwingend notwendig. Im Anschluss an Bepreisung und nach Bestätigung des Kommissioniervorgangs fährt der Roboter zur Fördertechnik und entlädt die Box. Diese gelangt nun über automatisierte Fördertechnik zum Sorter am Warenausgang. „Wir bieten den Filialen einen Sortierservice nach Genres oder Segmenten. So werden beispielsweise alle Thriller, Kochbücher oder Romane gebündelt übermittelt. Dies erleichtert den Buchhändlern das spätere Einsortieren im Shop.“

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So gelangt die Buchbestellung zum Endkunden und in die Filiale

  1. Eine Bestellung geht im System ein.
  2. Der Roboter wird gerüstet, das heißt mit Kommissionierbehältern ausgestattet, fährt anschließend eigenständig durch das Lager zum Pickplatz und informiert den Picker via Tablet, welche Artikel dieser aus dem Regal entnehmen soll.
  3. Die Ware wird am Roboter gescannt.
  4. Der Roboter druckt ein spezifisches Etikett, welches der Picker am Produkt anbringt.
  5. Der Picker legt die Ware in den Zielbehälter.
  6. Der Picker bestätigt den abgeschlossenen Kommissioniervorgang.
  7. Der Roboter fährt autonom zur Fördertechnik und wird dort entladen.
  8. Die automatische Förderanlage bringt den Mehrwegbehälter zum Warenausgang.
  9. Im Sorter werden die Artikel sortiert.
  10. Die sortierten Boxen werden im Warenausgang für die Distribution bereitgestellt. Bei Individualbestellungen wird die Ware zunächst noch verpackt.

Gute Personalplanung erfolgsentscheidend im Saisongeschäft

Effiziente Lagerprozesse und moderne Technik

Doch nicht nur effiziente Prozesse und moderne Technik sind der Schlüssel zum Erfolg. Mindestens genauso wichtig ist eine sorgfältige Personalplanung für ein erfolgreiches Saisongeschäft, verrät Florian Schneider. Wenn der Hochlauf erst einmal startet, müssen ausreichend eingearbeitete Mitarbeiter*innen verfügbar sein. Bereits im Sommer beginnen daher die Personalplanungen. Dabei gilt es, den saisonalen Arbeitskräften ein attraktives Angebot zu unterbreiten. „Es ist uns sehr wichtig, dass sich alle Mitarbeitenden zugehörig und wertgeschätzt fühlen. Deshalb haben wir ein geschultes Onboarding-Team und legen viel Wert auf eine Willkommenskultur, stellen Wohnungen und Shuttles zur Verfügung und trainieren das Personal in unterschiedlichen Sprachen.“

Ein Forecast, also eine Vorhersage, gibt bereits zum Beginn eines jeden Jahres eine Abschätzung über die voraussichtliche Entwicklung des Geschäftsjahres. Permanent werden aktualisierte Daten bereitgestellt, die den Logistikspezialisten bei der Planung unterstützen. Zusätzlich ist es wichtig, flexibel auf veränderte Marktsituationen eingehen zu können. Während das Filialgeschäft vor der Corona-Pandemie einen sehr großen Anteil am Bestellvolumen ausmachte, stiegen die Online-Bestellungen in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 rasant an. „Innerhalb kurzer Zeit haben wir unsere Prozesse angepasst und beispielsweise die Zahl der Packtische signifikant erhöht“, äußert Schneider. Im Jahr 2022 ist der Anteil von Online-Bestellungen wieder etwas zurückgegangen, beträgt aber immer noch deutlich mehr als vor der Pandemie.

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Deutsches Weihnachtsgeschäft in Zahlen

  • Umsatz Weihnachtsgeschäft deutscher Einzelhandel 2021: 114,1 Milliarden Euro
  • Davon B2C-E-Commerce: 20,9 Prozent
  • Umsatzprognose Weihnachtsgeschäft deutscher Einzelhandel 2022: 120,3 Milliarden Euro
  • Prognostizierter Weihnachtsumsatz 2022 im Online-Handel: 21,2 Milliarden Euro
  • Knapp ein Vierteil ihres Jahresumsatzes erzielen Internet-Händler im November und Dezember

Quelle: EHI Retail Institute3

2021 stieg der Gesamtumsatz der Verlags- und Buchhandelsbranche um 3,5 Prozent. Die vergangenen Jahre hätten die Branche jedoch stark gefordert, teilte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Mitte des Jahres mit.4 Neben Lieferengpässen erschweren Inflation, globale Krisen und die Nachwehen der Corona-Pandemie die Prognosen des Weihnachtsgeschäfts 2022. Doch gerade der Buchhandel könnte mit seinen im Vergleich moderaten Preisen von niedrigeren Weihnachtsbudgets profitieren. Die Erwartungen an das diesjährige Weihnachtsgeschäft in Hörselgau sind daher hoch: „Wir gehen davon aus, dass Bücher, Spiele und Geschenkartikel weiterhin gefragt sind. Sollte es so weitergehen wie bisher, rechnen wir mit einem starken Weihnachtsgeschäft 2022.“

E-Commerce Logistik

Anfang Januar ist der Peak in Hörselgau alljährlich gemeistert. Dann folgt noch die Retourenabwicklung von B2C-Sendungen – die Filialretouren übernimmt die Niederlassung Meerane. Florian Schneider bereitet sich hingegen schon auf die Saison 2023 vor und wagt einen Blick in die Zukunft: „Ich gehe davon aus, dass unser Geschäft langfristig noch kleinteiliger wird, also weniger Bündelungen pro Bestellvorgang erfolgen. Im Hinblick auf den Buchhandel glaube ich zudem an den Erfolg von Plattformkonzepten. Das heißt, auch unabhängige Händler können auf das Sortiment und Netzwerk großer Buchhandelsketten zugreifen – das spricht für weiteres Wachstumspotenzial.“

Klar ist für Florian Schneider schon jetzt: Wenn das diesjährige Weihnachtsgeschäft wie geplant verläuft und die neu eingeführten autonomen Roboter die Mitarbeitenden erfolgreich bei der Kommissionierung unterstützen, soll die Produktivität weiter erhöht und die Voraussetzungen geschaffen werden, um auch im Weihnachtsgeschäft 2023 zweistellig wachsen zu können.

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1 |  Vgl. EHI Retail Institute (handelsdaten.de): „Weihnachten – Daten und Fakten zum Verbraucherverhalten zu Weihnachten“, unter: https://www.handelsdaten.de/handelsthemen/weihnachten (abgerufen am 25.11.2022)

2 |  Vgl. Statista: „Anzahl der Personen in Deutschland, die Bücher lesen, nach Häufigkeit von 2018 bis 2022“, unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/171231/umfrage/haeufigkeit-des-lesens-von-einem-buch/ (abgerufen am 25.11.2022)

3 |  Vgl. EHI Retail Institute (handelsdaten.de): „Weihnachten – Daten und Fakten zum Verbraucherverhalten zu Weihnachten“, unter: a.a.O. (abgerufen am 25.11.2022)

4 |  Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels: „Der Buchmarkt in Deutschland: Buchhandlungen und Verlage erfolgreich in der Pandemie, aber von neuen Krisen herausgefordert“, unter: https://www.boersenverein.de/presse/pressemitteilungen/detailseite/der-buchmarkt-in-deutschland-buchhandlungen-und-verlage-erfolgreich-in-der-pandemie-aber-von-neuen-krisen-herausgefordert/ (abgerufen am 25.11.2022)

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