Nachhaltige Citylogistik

Schwere Lieferfahrzeuge, die im städtischen Stau stehen, Wege blockieren oder mühsam auf Parkplatzsuche gehen – das muss nicht sein. Die emissionsfreie Alternative: E-Cargobikes. Sie können in Innenstädten einen großen Teil des Wirtschaftsverkehrs umweltschonend und leise abwickeln. Wir verraten, was bei der Auswahl zu beachten ist.

E-Cargo Bike Driver

War das Fahrrad zum Transport von Waren Anfang des 20. Jahrhunderts noch äußert gefragt, führte die Automobilisierung in der zweiten Jahrhunderthälfte zur zunehmenden Verdrängung des Lastenrads. Mit fortschreitender Elektrifizierung und dem Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und Lebensqualität in Städten erlebt es im Wirtschaftsverkehr nun als hippes E-Cargobike sein erfolgreiches Comeback.

Denn nicht nur der Verkauf von E-Bikes ist in Deutschland innerhalb von zehn Jahren (bis 2021) von 330.000 auf zwei Millionen angestiegen.1 Auch der Markt von E-Cargobikes legte massiv zu und verdreifachte sich von 2018 bis 2021 auf 120.000.2 E-Lastenräder machen damit mittlerweile einen Anteil von sechs Prozent am Verkauf von E-Bikes in Deutschland aus.3

E-Cargobike für One-Person Delivery beliebt

„Gerade für die Produktsparte der One-Person Delivery ist das Lastenrad ein Wachstumstreiber mit vielen Vorteilen“, berichtet Christian Rautenberg, Produktmanager von Deliver it, einem regional tätigen Endkundenlogistiker für Handel und Verbraucher*innen. Die One-Person Delivery eignet sich für kleinere oder leichtere Waren, die ein Mitarbeiter allein heben und tragen kann. Die Packstücke dürfen dann jeweils nicht mehr als 30 Kilogramm wiegen.

Neben dem eigenen Anspruch an innovative und nachhaltige Antriebsformen fordern auch Auftraggeber und Endkund*innen von Zustellern zunehmend, Waren und Pakete möglichst emissionsfrei auszuliefern. Hinzu kommen eine gesellschaftliche Verantwortung und steigende Anforderungen der Politik. „In Berlin etwa rechnen wir mittelfristig mit einem Fahrverbot für Dieselfahrzeuge. Deshalb bauen wir schon heute unsere Lieferkette um, damit wir auf der Letzten Meile mit unseren Lösungen ganz vorn mitspielen können“, begründet Rautenberg.

Klein, kompakt und wendig

Angesichts eines immer höheren Verkehrsaufkommens in den Innenstädten können E-Cargobikes in verstopften Großstädten einfacher auf Alternativrouten ausweichen. „Damit umgeht man nicht nur den Stau, sondern verursacht auch selbst keinen“, hält Rautenberg fest. Da das E-Cargobike näher an Haus und Wohnung heranfahren kann, verkürzt sich zudem die Strecke, die der Lieferant mit der abgeladenen Ware zum Empfänger zurücklegen muss. Parken in der zweiten Reihe ist ebenfalls nicht mehr nötig.

 

E-Cargo Bike vor einem Haus

Fahrerlaubnisfrei unterwegs

Ein weiterer Vorteil nimmt gerade in Zeiten des Fachkräftemangels einen wichtigen Stellenwert ein: Lastenräder sind fahrerlaubnisfrei, Fahrende benötigen also keinen Führerschein. Die Zahl der für die Zustellung infrage kommenden Mitarbeitenden ist daher deutlich größer. Doch wie fühlt es sich an, auf dem elektrischen Lastenrad in die Pedale zu treten?

Stephan Klabe
Fantastisch und sehr innovativ.
Stephan Klabe | Zusteller der Deliver it

Eine große Wertschätzung erfährt Zusteller Stephan Klabe auch von denjenigen, die er mit Waren beliefert: „Für mich als Fahrer ist es besonders schön, die Reaktion der Kund*innen zu sehen, wenn sie mitbekommen, dass ihre Lieferung von mir mit dem E-Bike zugestellt wurde. Außerdem macht das Fahren mit den E-Bikes einfach Spaß, vor allem, weil man überall entlangfahren und auch mal eine Abkürzung durch den Park nehmen kann.“

Auch Christian Rautenberg bestätigt das positive Feedback der Empfänger*innen: „Die Endkund*innen sind begeistert, wenn die Fahrer*innen ihnen erzählen, dass ihre Lieferung mit einem E-Cargobike zugestellt wurde, und freuen sich über die ökologische und nachhaltige Form der Auslieferung. Auch Passant*innen auf der Straße sprechen die Fahrer*innen oftmals direkt an, um sich über das Rad zu erkundigen und wo man den Service buchen kann. Das Feedback ist ausschließlich positiv.“

E-Bike ist nicht gleich E-Bike

Lange Strecken, eine Zuladung von bis zu 300 Kilogramm, unebene Oberflächen wie Kopfsteinpflaster oder Schotterpiste: E-Cargobikes sollten viel aushalten können. Ein sicheres Fahrgefühl ist das A und O. Zudem müssen die Bremsen perfekt funktionieren, damit ein E-Bike, das beladen bis zu 600 Kilo wiegen kann, auch rechtzeitig zum Stehen kommt.

Vor einer größeren Investition empfiehlt Rautenberg daher, die Lastenräder unterschiedlicher Hersteller zunächst ausgiebig zu testen und die benötigten Anforderungen an das E-Bike mit den Herstellern im Vorfeld zu analysieren. Nur so kann ein Zusteller von Heavy-Bulky-Waren prüfen, welche Fahrzeuge am besten zu seinen Bedürfnissen und Fahrern passen, denn: „Jedes Rad weist deutliche Unterschiede auf und kann für verschiedene Zwecke jeweils sinnvoll eingesetzt werden.“

Flexibilität des Laderaums gefragt

Insbesondere für Heavy-Bulky-Transportdienstleister sind E-Cargobikes oftmals noch Neuland. Im Gegensatz zu KEP-Anbietern – bislang Hauptabnehmer von E-Cargobikes – gleicht bei den Zustellern von DIY-Accessoires oder kleinen Möbelstücken kein Packstück dem anderen. Deshalb sind mehr Möglichkeiten für das Be- und Entladen der Ware wichtig. „Optimal ist es, wenn der Laderaum sowohl von der Seite als auch von hinten zugänglich ist. Auch Wechselkoffer finden wir super, weil sie eine große Flexibilität in unsere operativen Abläufe bringen.“, so Rautenberger.

Von Juli 2021 bis April 2022 testete Deliver it drei E-Cargobikes von ONO, Citkar und ANTRIC im Herzen Berlins rund um den Alexanderplatz sowie in Lichtenberg. Ausgeliefert wurden Sportgeräte, Möbel- und Einrichtungsgegenstände sowie Bau- und Gartenelemente. Erst im Anschluss entschied sich Deliver it im Frühsommer 2022 für den Einsatz mehrerer Räder des Produzenten ANTRIC: „Nicht, weil die anderen Modelle schlecht waren, sondern weil das nun ausgewählte E-Cargobike für unseren aktuellen Einsatz und unsere Anforderungen besonders gut passt.“

info_outline

E-Cargobikes im Test bei Deliver it

  • Testzeitraum: 2021/2022
  • Einsatzgebiet: Berlin-Mitte, Berlin-Lichtenberg
  • Hersteller: ONO, Citkar, ANTRIC
  • Maximale Beladung: bis 300 Kilogramm
  • Auslieferungen: mehr als 1.500 Auslieferungen
  • Laderaum: bis 2,3 Kubikmeter
  • CO2-freie Lieferstrecke (gesamt): mehr als 11.000 Kilometer
  • Kuriosestes Packstück: 100 Tannenbäume für eine Baumarktkette
E-Cargo Bike im Test - Weihnachtsbaum

Rautenberg geht davon aus, dass es auf dem E-Cargobike-Markt noch einige Entwicklungssprünge geben wird, denn die meisten Hersteller befinden sich noch am Anfang ihrer Entwicklung, wollen ihre Fahrzeuge Schritt für Schritt verbessern und den Kundenwünschen anpassen. „Die Unterstützung der Hersteller ist groß. Alle Produzenten der von uns getesteten E-Bikes waren dankbar und offen für unser Feedback. Wir bringen unsere Erfahrungen, Ideen und Verbesserungsvorschläge gern ein und veranstalten gemeinsame Brainstormings, wenn es um Neuentwicklungen und Produktanpassungen geht.“

Überzeugt hat das E-Lastenrad von ANTRIC vor allem durch die sichere, langlebige und robuste Konstruktion. Ebenfalls überzeugend ist die einfache Beladung aufgrund der niedrigen Ladefläche und des Rollwagensystems. Denn: Ein unkomplizierter Ladevorgang spart kostbare Zeit. „Wichtig war uns auch, dass wir ausreichend Laderaum für unsere teils sperrigen Waren haben. In das E-Bike passen, wenn nötig, sogar ganze Europaletten.“

Seit Juli 2022 sind nun vier elektrische Cargobikes der Deliver it in Berlin unterwegs, um all jene Home&Living-Produkte wie Lampen oder Stühle sowie kleinere Artikel aus dem DIY-Segment, die zu groß für den eigenen Kofferraum oder zu schwer für die öffentlichen Verkehrsmittel sind, CO2-neutral auszuliefern. Weitere E-Bikes sollen die Flotte in den nächsten Monaten noch vergrößern.

Lieferung mit E-Cargo Bikes

Luft nach oben in puncto Haltbarkeit

Auch wenn Christian Rautenberg vom Konzept des E-Cargobikes für eine emissionsfreie Auslieferung in urbanen Räumen überzeugt ist, sieht er weiteres Verbesserungspotenzial. Erstens bestehe in puncto Haltbarkeit und Belastbarkeit der Konstruktionsteile von E-Cargobikes generell noch Luft nach oben. „Wir transportieren deutlich mehr Gewicht auf deutlich längeren Strecken im Vergleich zu KEP-Dienstleistern“, so Rautenberg. „Wenn verschlissene Ersatzteile häufig ausgetauscht werden müssen, kostet das nicht nur Geld, sondern vor allem Zeit.“

Der zweite Aspekt betrifft die Ladeinfrastruktur für die Akkus. „Bisher gibt es hier keine einheitlichen Standards. Mit je einem Paar Wechselakkus erreichen unsere Lastenräder zwar ihre tägliche Reichweite von bis zu 60 Kilometern. Wir sehen hier jedoch noch großes Potenzial, etwa im Hinblick auf Akkuwechselstationen.“ Nur so könnte die Zahl größerer Auslieferfahrzeuge wie etwa übliche Transporter signifikant reduziert werden. Zudem stehen weitere Entwicklungen auf seiner Wunschliste: „Ein digitales Tracking der Cargobikes wäre toll, genauso wie weitere praktische Features, beispielsweise eine Dachluke im Ladekoffer zum Durchschieben und Transportieren von Langteilen.“

Christian Rautenberg

Nach seinem Studium zum Wirtschaftsingenieur Maschinenbau absolvierte Christian Rautenberg einen Master mit Fachrichtung Logistik an der TU Berlin. Seit 2019 ist der 29-Jährige bei Deliver it an Bord, seit 2021 als Produktmanager. Bei allen getesteten E-Cargobikes saß er schon selbst im Sattel.

Werden E-Cargobikes bei der Letzte-Meile-Zustellung klassischen Auslieferfahrzeugen Konkurrenz machen? Sagen Sie uns Ihre Meinung.

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1 | Vgl. Zweirad-Industrie-Verband e. V. (ZIV) (Hg.): „Marktdatenpräsentation 2022 für 2021“, S. 28, unter: https://www.ziv-zweirad.de/fileadmin/redakteure/Downloads/Marktdaten/ZIV_Marktdatenpraesentation_2022_fuer_Geschaeftsjahr_2021.pdf

2 | Vgl. Ders: „Marktdatenpräsentation 2022 für 2021“, S. 36

3 | Vgl. Ders: „Marktdatenpräsentation 2022 für 2021“, S. 41

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