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Logistik im Dialog

Frauenpower in der Logistik

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Wie kann die klassische Männerdomäne künftig attraktiver für weibliche Mitarbeitende werden?

Mit der Verrentung der Babyboomer ist der Fachkräftemangel ein Thema, das Unternehmen und ganze Branchen umtreibt: Die Stellenbesetzung ist zur echten Herausforderung geworden. Besonders hart trifft es Branchen, die klassischerweise eher rein männlich oder weiblich geprägt waren. Dazu gehört auch die Logistik. Historisch bedingt ist die Logistik eine Männerdomäne – Körperkraft war die Voraussetzung, um Aufgaben wie beispielsweise das Be- und Entladen von schweren Gegenständen zu meistern. Doch der technische Fortschritt und veränderte Aufgabenstellungen machen die Logistik auch für weibliche Arbeitskräfte zunehmend attraktiv.

Laut der Bundesvereinigung für Logistik liegt der Frauenanteil im Bereich Logistik, Transport und Verkehr in Deutschland bei 20,7 Prozent. Schuld daran sind oft fehlende Vorbilder und ein raues Image der Branche. Dabei wissen wir längst: Die zahlreichen logistischen Tätigkeitsfelder bieten auch weiblichen Mitarbeitenden vielfältige und spannende Herausforderungen, die Spaß machen. Die Logistik ist wesentlich besser als ihr Ruf.

Den Beweis liefern im Podcast Cornelia Rippe-Gasche, Geschäftsführerin der Rhenus Port Logistics in Hanau, und Dr. Kerstin Stegner, Mitglied der Geschäftsleitung der Rhenus Warehousing Solutions Deutschland. Sie verraten, was es bedeutet, als Frau in einer Führungsposition tätig zu sein, welche besonderen Skills Frauen mitbringen und wie sie es trotz ihrer verantwortungsvollen Positionen geschafft haben, auch im privaten Bereich die Balance zu halten. Und sie berichten, wie sie bei ihrer täglichen Arbeit der Fragestellung begegnen, wie die Männerdomäne Logistik auch in Zukunft attraktiver für weibliche Arbeitskräfte werden kann und welche Herausforderungen es dabei zu meistern gilt. Denn in ihrem bisherigen Berufsleben sind beide zu der Überzeugung gelangt:

Ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in einem Unternehmen wirkt sich nicht nur positiv auf das Arbeitsklima aus, Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit können durch die Diversität auch erheblich angehoben werden und damit langfristig zum Unternehmenserfolg beitragen.

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Podcast Cover Frauenpower in der Logistik
08.03.2023

Logistics People Talk | Episode 16

Cornelia Rippe-Gasche und Dr. Kerstin Stegner berichten, wie sie als Frauen in einer männlich geprägten Branche ihre Führungspositionen erfolgreich ausfüllen. Im Fokus: Wie kann die Männerdomäne für weibliche Arbeitskräfte attraktiver werden?

Transkript unserer Podcast-Episode

00:00:02
Andrea Goretzki: Herzlich willkommen zu einer neuen Episode von Logistics People Talk, dem offiziellen Rhenus-Podcast für alle, die auch der Meinung sind, dass Logistik die Welt bewegt. Präsentiert von:

00:00:14
Gwen Dünner: Gwen Dünner.

00:00:15
Andrea Goretzki: Und Andrea Goretzki.

00:00:20
Gwen Dünner: Die Logistik ist seit jeher eine klassische Männerdomäne. Historisch bedingt durch den hohen Krafteinsatz bei Aufgaben wie dem Um- und Beladen, dem Heben von schweren Gegenständen oder auch den langen Zeiten auf See oder im LKW. Aber Männerdomäne heißt nicht, dass nicht auch Frauen erfolgreich in einer Branche tätig sein können. Heute wollen wir mit zwei dieser erfolgreichen Frauen über Frauen in der Logistik sprechen. Wir begrüßen Cornelia Rippe-Gasche, Geschäftsführerin der Rhenus Port Logistics in Hanau, und Dr. Kerstin Stegner, Mitglied der Geschäftsleitung der Rhenus Warehousing Solutions Deutschland. Willkommen ihr beiden. Schön, dass ihr hier seid!

00:00:54
Andrea Goretzki: Hallo. Schön, dass ihr da seid.

00:00:56
Cornelia Rippe-Gasche: Guten Morgen in die Runde!

00:01:00
Andrea Goretzki: Ja, wollen wir direkt ins Thema einsteigen? Conny, vielleicht fangen wir einmal mit dir an. Du bist in diesem Jahr seit 46 Jahren bei Rhenus. Als du angefangen hast, warst du noch das Fräulein Rippe. Das hat sich mittlerweile natürlich geändert, aber erzähl doch einmal: Wie war dein Werdegang?

00:01:18
Cornelia Rippe-Gasche: Ich habe als Fräulein Rippe eine Lehre zur Speditionskauffrau gemacht. Das war damals die Wortwahl. Bis zu meiner Heirat mit über 30 Jahren blieb ich auch das Fräulein Rippe. Mein ursprüngliches Ziel war, Wirtschaftspädagogik zu studieren. Dafür brauchte ich ein Praktikum von zwölf Monaten. Um eine gute Basis zu haben, habe ich mich dann entschieden, eine verkürzte Lehre zu machen. Daraus wurde dann ein sehr, sehr langes Praktikum. 46 Jahre lang. Nach der Lehre war ich für den Aufbau der Abteilung Kraftwerksver- und -entsorgung, Baustoffhandel und für unsere Tochterfirma mit der Strahlenmittelproduktion zuständig. Es gab immer wieder neue Projekte, die ich fertigstellen wollte. Umschlag und Zwischenlagerung von Abfällen gehörten dazu und sind sehr wichtig geworden für unseren Standort. Dafür brauchte man schwierige BImSchG-Genehmigungen. Da musste ich mich einarbeiten. Und es stellt durch ständige Gesetzesänderungen immer noch eine große Herausforderung dar. Nach drei, vier Jahren habe ich dann das Ziel Studium aufgegeben und die Abteilungsleitung der neuen Bereiche übernommen. Ein Highlight und eine große Anerkennung waren die Erteilung der Prokura, während ich im Mutterschutz war. Ich hatte damals einen Chef, der mir die nötige Flexibilität gegeben hat, obwohl das Wort Homeoffice zu der Zeit noch nicht in aller Munde war. Nachdem mein Chef in Rente gegangen ist, wurde ich dann Geschäftsführerin der Tochtergesellschaft, der SHG Sakresiv Hanau GmbH. Und im Juli 2019, nach Verschmelzung der Standortgesellschaften, wurde ich dann zur Geschäftsführerin der Rhenus Port Logistics GmbH und Co. KG in Hanau berufen.

00:03:29
Andrea Goretzki: Respekt, Conny, sehr gut. Das hört sich wirklich nach einem sehr, sehr bewegten Berufsleben an. In 46 Jahren hat sich nicht nur bei dir persönlich ganz, ganz viel getan. Wir haben das gerade gehört, du hast es angerissen. Heirat, Tochter, Mutterschutz, du hattest all das. Aber auch bei Rhenus und in der Rhenus Gruppe hat sich viel getan. Da hast du gerade auch ein bisschen was zu gesagt. Gibt es aus deiner Sicht denn auch Dinge, die in der Zeit gleichgeblieben sind?

00:04:00
Cornelia Rippe-Gasche: Ja. Genau wie in meinen ersten Jahren entwickelt sich Rhenus, sowohl in den Standorten als auch in den übergeordneten Zielsetzungen, immer weiter. Die Standort-Verantwortlichen können als Unternehmer agieren und auch neue Wege gehen. Ich hatte damals großes Interesse an Neuem und konnte mich in Fachbereichen spezialisieren. Die Gelegenheit wurde mir gegeben und auch die Zeit. Es wird mir nachgesagt, ich wäre sehr neugierig. Das war hilfreich. Ich bin überzeugt, wenn heute ein junger Mitarbeiter diese Eigenschaften mitbringt, dann bekommt er auch viele Möglichkeiten der Weiterentwicklung, Freiraum für Ideen und findet sehr gute Perspektiven vor. Er muss die Chance ergreifen und daraus etwas machen. Rhenus bietet ihm die Voraussetzung.

00:04:58
Andrea Goretzki: Ja, schau einmal, Gwen, wie bei uns. Wir sind auch so neugierig und uns hat man einen Podcast gegeben.

00:05:04
Gwen Dünner: Wir spielen auf unsere Stärken.

00:05:07
Andrea Goretzki: Genau.

00:05:08
Gwen Dünner: Wahnsinn. Um das noch einmal ein bisschen zu rekapitulieren. Als Frau, in einer Zeit, in der du für deine Karriere den Grundstein gelegt hast, gab es natürlich nicht die gleichen Möglichkeiten, Beruf und Privates miteinander zu verbinden wie heute. Aber trotzdem hast du Familie und Job gleichzeitig gemeistert. Wie hast du das gemacht? Was waren die größten Herausforderungen und wie bist du denen begegnet?

00:05:31
Cornelia Rippe-Gasche: Ich hatte ein sehr gutes privates Netzwerk für die Betreuung unserer Tochter, sozusagen mit doppeltem Boden. Das ging damals gar nicht anders. Zeit für Hobbys blieb keine. Das Hobby war unsere Tochter und schwierig wurde es, wenn sie krank war. Ein gut ausgestattetes Homeoffice, wie heute, gab es nicht und auch nicht die heutigen digitalen Möglichkeiten. Mehrtägige Reisen sind mir damals schon schwergefallen. Ich glaube, es ist wichtig, dass die Kinder spüren, dass die Mutter gerne arbeiten geht und kein schlechtes Gewissen hat. Sie sollten aber auch sicher wissen, wenn sie die Mama brauchen, dann muss das auch Vorrang haben. Unsere Tochter hat oft sehr stolz erzählt, dass sie immer anrufen konnte, wenn es dringend war, und dass dann sogar der Chef warten musste. Sie hat ihm auch dazu einmal ihre Meinung gesagt.

00:06:35
Gwen Dünner: Was hat sie ihm denn gesagt?

00:06:36
Cornelia Rippe-Gasche: Ausgenutzt hat sie es nicht. Sie hat gesagt, jetzt sei sie dran, „Wir spielen fertig und dann kannst du wieder anrufen.“ Und den Humor hatte er, den man dafür brauchte. Also zumindest für unsere Tochter war das sehr wichtig, dass sie auch meinen Arbeitsplatz kennenlernen konnte, meine Arbeit. Dass sie verstanden hat – natürlich nicht in den ersten Jahren, aber ab der Schulzeit –, was ihre Mama da ungefähr macht. Und dass das der Mama Spaß macht. Da habe ich dann einmal mitbekommen, als eine Freundin zu Besuch war, wurde sie gefragt, was der Beruf ihrer Mama sei, und da hat sie gesagt: „Meine Mama telefoniert und trinkt Kaffee dabei und das macht Spaß.“

00:07:23
Gwen Dünner: Hat sie alles verstanden?

00:07:24
Cornelia Rippe-Gasche: Genau. Es wurde wirklich hier zum geflügelten Wort. Wenn ich mich auch selbst abends gefragt habe, was ich den ganzen Tag gemacht habe: „Ich habe Kaffee getrunken und telefoniert. Warum bin ich eigentlich kaputt?“ Gefehlt hat mir das Netzwerk mit anderen berufstätigen Frauen. Dafür blieb einfach keine Zeit. Es gab damals auch nicht viele Frauen in der gleichen Situation. Ich denke, das geht heute mit den sozialen Medien etwas besser. Auch Abendveranstaltungen zur Kontaktpflege habe ich in der Regel abgesagt, weil abends einfach die Zeit für unsere Tochter war.

00:08:13
Andrea Goretzki: Du hast ein ganz, ganz wichtiges Stichwort genannt und zwar das Netzwerken. Kerstin, wir wollen dich auch ein bisschen kennenlernen. Du bist Führungskraft, auch Mutter und hast promoviert und dich in deiner Doktorarbeit mit dem Thema Mitarbeiterführung und -motivation auseinandergesetzt. Auf das Thema hast du auch heute noch ein besonderes Augenmerk in deiner Arbeit. Berichte doch einmal, wie deine Rolle bei Rhenus ist.

00:08:39
Dr. Kerstin Stegner: Danke, ich bin Kerstin, ich bin Mitglied der Geschäftsleitung der Rhenus Warehousing Solutions Deutschland. Wenn man meinen Sohn mit knapp sieben Jahren fragt, würde er sich Connys Tochter anschließen und auch sagen: „Die Mama arbeitet gar nicht. Die schwätzt den ganzen Tag mit Leuten in einer Kiste und trinkt Kaffee.“ Ein bisschen mehr als das ist es vielleicht schon. In der Kinderwahrnehmung kann ich verstehen, dass das so aussieht. Ich bin in der Rhenus zum einen als operative Geschäftsführerin mit dem jeweiligen Niederlassungsleiter zusammen für zwei große Standorte in der Mitte von Deutschland zuständig. Der eine ist in Hessen, ein Stück weit nördlicher zu Hanau, wo Conny herkommt. Der andere ist in Thüringen. Dann verantworte ich konzeptionell noch das, was man neudeutsch unter Agile Leadership und Operational Excellence versteht. Das heißt, wir nähern uns gerade in der Warehousing dem Thema Agile Mindset, experimentieren mit verschiedenen Methoden und Tools. Diese, wie es im Agile-Jargon heißt, Inspect- und Adapt-Phase – also ausprobieren, was funktioniert, was bekommen wir für ein Feedback –, beschäftigt uns gerade sehr, sehr intensiv. Das finde ich superspannend, weil da auch so ein bisschen der Link zu meiner Doktorarbeit ist. Total faszinierend finde ich, dass Conny schon bei Rhenus war, als ich geboren wurde. Mir kommen meine 14 Jahre Zugehörigkeit jetzt schon echt lange vor. Ich habe damals auch sehr operativ angefangen, schnell Führungsverantwortung übernommen. Da kam mir das zugute, was Conny auch sagte, Neugier und so ein bisschen der Adrenalin-Junkie. Ich habe dann sehr schnell ein großes Projekt in Eisenach bekommen. Das war ein klassisches Greenfield-Investment, also wo wir auf einer grünen Wiese 40.000 Quadratmeter Standort gebaut haben. Das fand ich sehr besonders bei Rhenus. Das ist auch das, was wir eben schon gehört haben, dass man sehr früh Verantwortung übernehmen kann, wenn man will, wenn man Bock darauf hat. Da bin ich sehr dankbar, dass ich die Verantwortung übertragen bekommen habe. Das hat auch wirklich richtig gut funktioniert. Das andere Thema, was sicherlich ein Highlight war: dass wir in unserer großen zentralen Abteilung für Project und Solution Design in Holzwickede, mit einem agilen Ansatz, komplett selbst organisiert mit den Mitarbeitern ein Change-Projekt umgesetzt haben, wo wir supertransparent mit den Leuten entwickelt haben, wie die neue Organisation aussieht. Das hat auch wieder den Link zum Thema Mitarbeiter-Commitment, was mich seit Jahren begleitet und beschäftigt. Ich finde es absolut toll und unfassbar sinnstiftend, zu sehen, was möglich ist, wenn man seinem Team vertraut und das Vertrauen in den eigenen Leadership-Ansatz auch ernsthaft und mit allem Mut und allem Vertrauen und aller Konsequenz umsetzt.

00:11:17
Gwen Dünner: Richtig cool. Ich glaube, was man so ein bisschen heraushört, dieses am Telefon oder am Computer arbeiten, hat in den letzten Jahren sehr viel mehr zugenommen. Seien wir einmal ehrlich, Kerstin, auch, wenn es heute bessere Betreuungsmöglichkeiten gibt als vor 25 Jahren, mit der Corona-Pandemie war dann auch plötzlich wieder alles auf Anfang. Wie hast du die Zeit mit dem Job und mit kleinem Sohn erlebt und wie hat dich das vielleicht auch gefärbt?

00:11:43
Dr. Kerstin Stegner: Wie habe ich das erlebt? Bestimmte Erfahrungen, die ich so nicht wieder machen möchte. Ich bin im Rückblick superstolz drauf, dass und wie ich das hinbekommen habe. Aber auch, um das jetzt hoffentlich im Nachgang zur Corona-Pandemie einmal ganz klar auszudrücken, das war schon eine sehr, sehr große Kraftanstrengung. Privat in Eigenverantwortung von mir. Aber auch von meinem Umfeld, von einzelnen Leuten in der Familie, in der Nachbarschaft, auch in der Betreuungseinrichtung. Ich bin auch meinem Arbeitgeber sehr, sehr dankbar, mit welcher Rücksichtnahme und welchem Verständnis mein Chef, die Kollegen und auch das Team darauf reagiert haben. Ich war damals schon alleinerziehend, mein Sohn war noch sehr, sehr klein. Ich habe, weiß nicht wie viele Calls mit Kind auf dem Schoß verbracht. Mein Sohn fand es dann auch ganz witzig, Grimassen in die Kamera zu schneiden und Leute zu erschrecken oder mit einer Tröte einmal quer durchs Bild zu tröten. Das ist alles superwitzig, wenn man es einmal hat. Aber wenn das der Dauerzustand über Monate ist, ist das einfach superanstrengend. Ich persönlich kann mich auch nicht so gut auf Zahlen konzentrieren, wenn eine Faschingströte vor meinem Gesicht getrötet wird. Gesellschaftlich finde ich das im Nachgang, auch mit zunehmender Reflexion, immer noch absolut schockierend, wie irrelevant – in meiner Wahrnehmung – die Bedürfnisse von Familien und Kindern waren. Die Kinderbetreuung war jahrelang echt eine Katastrophe und es war Eigenverantwortung gefragt. Es war mindestens zwei Jahre so, dass wir eine eingeschränkte Betreuung im Kindergarten hatten. Sich jetzt über das Thema Frauen- beziehungsweise Familienförderung zu unterhalten, nach der Erfahrung der letzten Jahre, das hat für mich schon eine Ironie, muss ich sagen.

00:13:18
Andrea Goretzki: Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Ich war in einer ähnlichen Situation, habe eine Tochter im Alter deines Sohnes. Diese Tröten im Bildschirm habe ich auch gehabt. In der Zeit, das muss man wirklich sagen, waren alle sehr verständnisvoll und sind mit Situationen umgegangen, die es so bislang noch nie gegeben hatte. Das war natürlich eine besondere Herausforderung. Das musste man erst einmal so handeln. Nichtsdestotrotz hat die Erfahrung auch gezeigt, es ist gar nicht so wichtig, zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Orten am Rechner zu sitzen und zu arbeiten, sondern das kann tatsächlich auch sehr flexibel gehandhabt werden, wenn es darauf ankommt. Es kommt also auch darauf an, Mitarbeitende ihren Stärken entsprechend einzusetzen und darauf ein Augenmerk zu haben. Du beschäftigst dich mit diesem Thema nicht nur in deiner Doktorarbeit, sondern bis heute. Wie sollte Mitarbeiterführung idealerweise aus deiner Sicht aussehen?

00:14:19
Dr. Kerstin Stegner: Das Thema Leadership verfolgt mich schon länger und ist auch immer noch mein Why, warum ich jeden Tag zur Arbeit komme. Unser Warehousing Why ist: "We work together as one team to unlock the full potential of both our customer and our people." Das ist nicht nur das, was wir überall plakatieren, sondern was wirklich bei vielen von uns aus dem Herzen kommt. Auch bei mir, gerade dieses "Unlock the people" ist echt mein Ding. Mir ist es superwichtig, dass wir die Menschen nach ihren Fähigkeiten und nach ihren Stärken einsetzen. Und zwar so, dass wir möglichst viel intrinsische Motivation erreichen, um dann in das, was man klassischerweise als den Flow bezeichnet, hineinzukommen. Wo die Arbeit Spaß macht, wo man sie nicht so sehr als Belastung wahrnimmt, wo man kreativ ist. Der Hesse sagt: „Mit Schmackes einfach am Start ist.“ Ich kann – das ist auch relativ salopp formuliert – so gar nichts mit dem Leistungsmerkmal der abgesessenen Stunden anfangen. Ich bin so oft gefragt worden: „Wie viele Stunden machst du denn jetzt, wo du das Kind hast, in der Management-Funktion?“ Ich finde, die Stunden haben relativ wenig mit dem Output zu tun. Das würde ich mir wirklich sehr wünschen, dass wir generell mehr dahin kommen, einen stärkenorientierten Beitrag einer Person zu sehen und uns von diesen klassischen Mustern wie Stunden und Anwesenheiten zu lösen. Dann wird es für mich auch leichter, das Thema Frauen- oder Familienförderung in Angriff zu nehmen. Weil ich auch ganz, ganz viele Väter kenne, die gerne Stunden reduzieren würden, um sich gemeinsam um die Familie zu kümmern, um sich die Care-Arbeit zu teilen. Die erleben auch immer noch – und das noch viel, viel stärker als Frauen, die das schon lange kennen – dieses Vorurteil, dass gewisse Jobs nur in Vollzeit machbar sind. Das ist ein Punkt, da glaube ich nicht dran. Ich wünsche mir im zweiten Schritt, dass man diese Care-Arbeit im Sinne von: Ich kümmere mich um Familie, ich übernehme Verantwortung für Kinder, vielleicht auch für Angehörige, die ein bisschen älter sind und Hilfe benötigen, als Skill sieht und als Fähigkeit und etwas, was den Menschen wachsen lässt. Nicht nur als Bremsklotz, Einschränkung der Flexibilität und als negativen Aspekt, weil ich wirklich glaube, dass man sich menschlich weiterentwickelt und sich Fähigkeiten aneignet, die auch im Job für alle von Vorteil sind. Ich glaube, dass diese zwei Punkte sehr wichtig sind, auch um in Zukunft beim Thema Frauen- oder Familienförderung voranzukommen, sich vom traditionellen Denkmuster ein bisschen zu lösen und neue Wege zu gehen. Dich ein bisschen flexibler auf die Mitarbeiter einzustellen und auch anzuerkennen, was es für Vorteile hat, wenn man Verantwortung übernimmt, auch im privaten Bereich. Mir ist das sehr klar, dass das noch ein relativ idealistisches Bild ist, weil es eine große Kulturänderung betrifft und nicht einmal eben mit Fingerschnipsen umzusetzen ist. Aber ich hoffe, dass wir ein klitzekleines bisschen vorankommen und vielleicht heute mit dem Podcast etwas dazu beitragen können.

00:17:14
Gwen Dünner: Hoffentlich. Du hast es auch gerade schon angesprochen, Frauen- und Familienförderung. Conny, wenn du jetzt einmal zurückblickst. Deine Führungsposition hat dir ebenfalls die Möglichkeit geboten, Frauen einzustellen und zu fördern. Wie hast du das erlebt und was sind für dich die größten Errungenschaften für Frauen in der Logistik?

00:17:33
Cornelia Rippe-Gasche: Durch meine eigene Entwicklung weiß ich, dass Kompetenz und Motivation das Wichtigste sind. Ich sehe da keine Grenzen bei Rhenus, das versuche ich vorzuleben. Frauen setzen sich manchmal selbst Grenzen und fordern nicht den nächsten Karriereschritt ein. Ich glaube, da müssen wir noch viel mutiger werden. Es ist ein Fehler, wenn eine Firma auf die besonderen Kompetenzen von Frauen verzichtet. Denn Frauen übernehmen heute noch im privaten Bereich mehr soziale Aufgaben als Männer. Auf diese Kompetenzen zu verzichten, weil man, wie Kerstin sagt, denkt, man muss Stunden zählen, ist ein großer Fehler. Ich sehe aber auch, dass Rhenus auf einem guten Weg ist. Wenn sich für mich die Chance ergeben hat, eine Frau einzustellen, dann habe ich das getan und das auch mit einer sehr guten Erfolgsquote.

00:18:44
Gwen Dünner: Du hast dir das Netzwerk dann aufgebaut?

00:18:47
Cornelia Rippe-Gasche: Genau.

00:18:48
Andrea Goretzki: Um den Bogen zu schlagen.

00:18:50
Cornelia Rippe-Gasche: Jetzt hab ich auch mehr Zeit. Unsere Tochter ist jetzt 32, da habe ich jetzt mehr Zeit zu netzwerken.

00:19:04
Gwen Dünner: Ich wollte noch eine Rückfrage stellen, da du gerade deine Tochter noch einmal erwähnst und auch das Netzwerk. Was macht deine Tochter noch einmal beruflich?

00:19:14
Cornelia Rippe-Gasche: Die ist auch in der Logistik, in der Beton-Logistik. Sie hat immer gesagt, auf keinen Fall geht sie in die Logistik. Als sie dann älter war, als Teenager, nahm sie das als Stress war. Aber letztendlich ist sie jetzt doch in die Logistik gegangen.

00:19:33
Andrea Goretzki: Aber da telefoniert sie und trinkt Kaffee.

00:19:35
Gwen Dünner: Ich wollte gerade sagen, aber du hast sie trotzdem inspiriert und die Logistik ist zurückgekommen.

00:19:41
Cornelia Rippe-Gasche: Sie trinkt absolut kein Kaffee, nur Tee. Sie ist Wirtschaftsingenieurin, da schlägt der Papa noch durch. Der Papa ist Techniker, sie ist die Mischung.

00:19:57
Gwen Dünner: Ich kann mich 100 Prozent damit identifizieren. Ich komme auch aus einer Logistik-Familie und wollte das absolut nicht und bin auch hier gelandet. Aber im Schreibbereich, also doch auch gemischt.

00:20:10
Andrea Goretzki: Ich könnte ewig mit euch beiden weiter über dieses Thema sprechen. Ich kann als ebenfalls berufstätige Mutter einiges davon nachempfinden. Leider müssen wir aber für diese Episode einen Schlusspunkt finden. Vielleicht als kleines Schmankerl zum Ende noch einmal die Frage an euch beide: Was sind aus eurer Sicht die größten Baustellen für Frauen in der Logistik? Woran müssen wir unbedingt noch arbeiten? Conny, magst du anfangen?

00:20:39
Cornelia Rippe-Gasche: Die größten Baustellen? Wenn wir in den Technik-Bereich gehen, dass es da noch Vorbehalte gibt. Ich glaube, wenn ich den Port-Bereich durchgehe, eine Betriebsleiterin im gewerblichen Bereich, haben wir noch nicht. Dafür wäre es, glaube ich, auch einmal Zeit.

00:21:04
Gwen Dünner: Also jetzt die Stellenausschreibung machen.

00:21:09
Andrea Goretzki: Das war der Werbeblock.

00:21:09
Gwen Dünner: Und für dich, Kerstin?

00:21:11
Dr. Kerstin Stegner: Ich schließe mich Conny an. Für mich ist es an oberster Priorität, dass wir uns beim Thema Toleranz nach vorn bewegen und uns von den traditionellen Denkmustern lösen. Dass es, wie Conny sagte, zum Beispiel als weibliche Führungskraft im gewerblichen Bereich oder sehr operativ genauso möglich ist, wie als Ingenieurin die hochkomplexen Automatisierungsanlagen zu planen.

00:21:41
Gwen Dünner: Liebe Conny, liebe Kerstin, tausend Dank, dass ihr euch heute die Zeit genommen habt und unsere Gäste wart. Ich hoffe, ihr hattet dabei genauso viel Spaß wie wir. Bitte bleibt weiterhin so inspirierend für andere Frauen bei Rhenus.

00:21:54
Andrea Goretzki: Danke.

00:21:54
Cornelia Rippe-Gasche: Ja, das machen wir gerne.

00:21:57
Andrea Goretzki: Vielen Dank, dass ihr heute da wart.

00:22:03
Gwen Dünner: Damit bedanken wir uns auch ganz herzlich bei unseren Zuhörerinnen und natürlich auch den Zuhörern. Für alle, die diese und andere Episoden von Logistics People Talk anhören, bewerten oder teilen möchten, gibt es die Links zu unseren Profilen auf Spotify, Google und Apple Podcast sowie auf unserem Experten-Blog Logistics People Community. Wir hoffen, Sie hören auch beim nächsten Mal wieder hinein. Es grüßen ihre Hosts:

00:22:23
Andrea Goretzki: Andrea Goretzki.

00:22:24
Gwen Dünner: Und Gwen Dünner.

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