Nachhaltige Logistik für neuen Windpark

Der Ausbau der erneuerbaren Energien gehört zu den zentralen Herausforderungen der Gegenwart. Immer mehr Projekte zur Produktion von Ökostrom sollen in möglichst kurzer Zeit realisiert werden. Wie ein effizienter und nachhaltiger Transport von Anlagenteilen aussehen kann, hat ein österreichischer Logistikdienstleister im Frühjahr 2022 unter Beweis gestellt. Im Kombinierten Verkehr konnten knapp 120 Tonnen CO₂ im Vergleich zum reinen Lkw-Transport eingespart werden.

Windpark: Nachhaltiger Transport von Anlagenkomponenten

„Das Schöne an unserem Büro ist, dass wir nur die Stiege heruntergehen müssen und direkt am Hafen Krems sind“, schwärmt Julia Nastl, Head of International Operations der Rhenus Logistics Austria, über ihren Arbeitsplatz. Denn: „So konnte ich bei jeder Ankunft der vier Ganzzüge, die wir für unseren Auftraggeber Max Bögl einsetzten, sofort vor Ort prüfen, ob alles passt.“ Beheimatet im Hafen Krems sowie an weiteren Standorten in Werndorf bei Graz und Wien, offeriert der österreichische Logistikdienstleister multimodale speditionelle Services. Dazu gehören Transporte per Lkw, Schiff und Güterbahn, Hafenumschlag und -lagerung, Verzollung und Mehrwertleistungen.

Die Firmengruppe Max Bögl ist wiederum eines der größten deutschen Bauunternehmen mit Sitz in Sengenthal bei Neumarkt in der Oberpfalz. Das länder- und verkehrsträgerübergreifende Projekt, das Rhenus Logistics Austria übernahm, umfasste den Transport von insgesamt 270 Betondrittelschalen von Sengenthal in den nördlichen Wienerwald. Die Schalen mit einem Gewicht von jeweils zehn bis 18 Tonnen werden dort für den Bau von drei Windenergieanlagen des Windparks Schildberg benötigt. Genauer gesagt für die Errichtung ihrer Türme, die größten und schwersten Teile eines Windrads.

list

Das Projekt in Zahlen

  • 270 Betonschalen für 3 WEA-Türme
  • 10 bis 18 Tonnen schwere Bauteile
  • 119 Tonnen vermiedener CO2-Ausstoß
  • 3.750 Tonnen transportiertes Gesamtgewicht

Denn Windenergie gewinnt in vielen europäischen Ländern zunehmend an Bedeutung. Auch Österreich setzt auf ihren Ausbau. Laut IG Windkraft, der österreichischen Interessenvertretung für Windenergiebetreiber, -hersteller und -förderer, erzeugten hier Ende 2021 rund 1.300 Windkraftanlagen sauberen Strom mit einer Gesamtleistung von 3.300 Megawatt. Damit lassen sich mehr als 2 Millionen – also etwa die Hälfte – aller österreichischen Haushalte beliefern und 3 Millionen Tonnen CO2 jährlich sparen.1

Im Vergleich zu allen anderen Energieträgern zur Stromerzeugung ist die Windkraft im vergangenen Jahrzehnt am stärksten gewachsen, hat mehr Leistung als Atom- oder Kohlekraft ans Netz gebracht und sich zur größten Kraftwerksleistung in Europa entwickelt. Doch müsste sich der Windkraftausbau in der EU von 11 Gigawatt im Jahr 2021 nahezu verdreifachen, um die EU-Klimaziele zu erreichen.2

lightbulb_outline

Viel Wind für Strom

  • Ende 2021 drehten sich in der EU Windräder mit einer Leistung von 236 Gigawatt.
  • Ein Windrad mit 5 Megawatt Leistung erzeugt Strom für 3.700 Haushalte.
  • Mit dem Strom, den ein Windrad pro Stunde erzeugt, lassen sich über 15.000 Liter Wasser kochen.
  • Oder man kann zwei Jahre lang rund um die Uhr Playstation spielen.

 

Quelle: Interessengemeinschaft Windkraft Österreich3

Mehr Ökostrom für die Alpenrepublik

Ein Projekt, das für zusätzlichen grünen Strom in der Alpenrepublik sorgen soll, ist der Windpark Schildberg östlich von St. Pölten in Niederösterreich, dem größten österreichischen Bundesland. Dort sollen noch im Jahr 2022 drei moderne Windkraftanlagen Strom für umgerechnet rund 10.000 Haushalte liefern. Die Anlagen des Herstellers Enercon erreichen eine Gesamtleistung von 12,6 Megawatt.4 Betreiber ist der Konzern EVN, ein führendes internationales Energie- und Umweltdienstleistungsunternehmen.

Ein Transport aller 270 für die Windräder benötigten Drittelschalen über die Straße war schnell vom Tisch. An seine Stelle rückte ein nachhaltiges multimodales Konzept. „Ein reiner Straßentransport hätte etwa 190 Lkw benötigt. Angesichts hoher Spritpreise, der Verfügbarkeit von Fahrzeugen, aber vor allem auch mit dem Blick auf den Klimaschutz wäre das keine sinnvolle Lösung gewesen“, konstatiert Julia Nastl. Das von der Firmengruppe Max Bögl präferierte Konzept des Logistikdienstleisters setzte vor allem auf den Verkehrsträger Schiene, über den mit Ganzzügen ein Großteil der Strecke zurückgelegt wurde.

Auf der Schiene zum Hafen Krems

Kran im Hafen von Krems

Dieses Transportkonzept konnte auch deshalb effizient umgesetzt werden, weil die Produktionsstätte der Betonschalen im bayerischen Sengenthal über einen direkten Gleisanschluss mit First-Mile-Lok verfügt, die die Stückgüter bis zum wenige Kilometer entfernten Übergabebahnhof nach Neumarkt brachte. Von dort ging es weiter über die deutsch-österreichische Grenze zum Donauhafen Krems, der ebenfalls über einen direkten Gleisanschluss verfügt. Hier erfolgten Umschlag und Zwischenlagerung der Anlagenteile.

Der Hafen Krems befindet sich geografisch günstig gelegen nahe der Baustelle des Windparks Schildberg. Er verfügt über zwei Portalkräne für den Umschlag der Anlagenteile und bot zudem die benötigte Fläche zur Zwischenlagerung. „Unsere Kräne können Gewichte bis zu 50 Tonnen heben – insofern waren die Betonschalen für unsere Verhältnisse nicht besonders schwer“, berichtet Nastl.

Die Schalen wurden an zwei Anhängepunkten befestigt und aus den offenen Güterwaggons gehoben. Um eine Beschädigung des Betons zu verhindern und die Schalen auch an den Bodenrändern effektiv zu schützen, wurden diese im Zug auf speziellen Gummimatten und für die Zwischenlagerung im Hafen auf Gummifüßen platziert, welche die Firmengruppe Max Bögl für das Projekt bereitstellte.

Fast am Ziel: kurzer Nachlauf per Lkw

Zuletzt folgte der Nachtransport über die Straße zum rund 30 Kilometer gelegenen Errichterplatz der Windenergieanlagen. Von insgesamt 830 Kilometern pro Rundlauf zwischen Sengenthal und Schildberg mussten damit nur 60 Kilometer im Lkw zurückgelegt werden – also nur rund sieben Prozent. Bedarfsgerecht wurden die benötigten Schalen zur Baustelle gebracht: Per Abrufliste wurde der Logistikdienstleister informiert, in welcher Reihenfolge die nummerierten Betonteile angeliefert werden sollten.

Zurückgelegt wurde die Letzte Meile mit Dreiachs-Zugmaschinen samt Zwei- und Dreiachs-Trailern mit einem Gewicht von insgesamt 22 bis 25,3 Tonnen. „Der Vorteil von Kombiniertem Verkehr mit Bahn und Lkw besteht auch darin, dass das Gewicht auf der Straße etwas schwerer sein darf, ohne bereits als Spezialtransport zu gelten mit entsprechend zusätzlichen Auflagen“, verrät Nastl. So gilt hier die 44-Tonnen-Regel als zulässiges Gesamtgewicht im Vor- und Nachlauf zum nächstgelegenen geeigneten Terminal, das heißt vier Tonnen mehr als für Fahrzeuge im reinen Straßenverkehr.

Für alle Eventualitäten gerüstet

„Der Nachtransport klappte ebenfalls reibungslos, auch wenn wir eine Steigung von zwölf Prozent auf einer unbefestigten Zufahrtsstraße bewältigen mussten“, berichtet Nastl. Doch auch für diese Herausforderung war der Logistikspezialist gewappnet. „Unsere Ladung ist für jede Steigung gut gesichert. Im Fall von schlechtem Wetter und starkem Regen wäre möglicherweise eine Zughilfe nötig geworden. Diese hätten wir kurzfristig beschaffen können – letztlich wurde sie jedoch nicht gebraucht.“

Auch den Auftraggeber konnte der Logistikdienstleister überzeugen: „Wir sind sehr zufrieden mit dem Projektverlauf. Die Kommunikation und Zusammenarbeit mit unserem Logistikpartner liefen reibungslos, sodass unsere Bauteile planmäßig an die Baustellte geliefert werden konnten“, resümiert Marius Mederer, Projektleiter Logistik der Firmengruppe Max Bögl. Schon bald stehen weitere Bauvorhaben von Windenergieanlagen in Österreich an. 15 Türme warten in Niederösterreich auf ihre Errichtung – und damit verbunden der Transport von 19.000 Tonnen Material des Bauunternehmens.

Bedeutung des Kombinierten Verkehrs steigt

Die Zeichen stehen gut, dass der Kombinierte Verkehr in Deutschland und Österreich weiter zunehmen wird. Laut Statista könnte sein Anteil an der Schienenverkehrsleistung in Deutschland von 30 Prozent im Jahr 2007 auf voraussichtlich 37 Prozent im Jahr 2027 wachsen.5 Auch in Österreich wird multimodalen Verkehrsketten eine zentrale Bedeutung insbesondere für die Energiewende beigemessen. Im Innovationsförderprogramm für den Kombinierten Güterverkehr heißt es: „Damit kann – und soll – der Kombinierte Verkehr einen wesentlichen Beitrag zu einer auf Dauer tragbaren Mobilität (’sustainable mobility‘) und einer weitgehenden Dekarbonisierung des Güterverkehrssystems leisten.“6

Dabei wird in Österreich ein Modal-Split-Anteil der Schiene von 40 Prozent bis 2040 angestrebt. Neben dem Binnenschiff soll der Schienengüterverkehr zentraler Bestandteil klimaneutraler Lieferketten werden.7 Damit Ausbau und Modernisierung des Eisenbahnnetzes im Land gelingen, sollen laut ÖBB-Rahmenplan 2022–2027 innerhalb von sechs Jahren 18,2 Milliarden Euro in ein modernes Eisenbahnnetz investiert werden.8

 

 

 

Vor ihrem Büro in Krems fließt die Donau, das Hafengelände des Rhenus Donauhafen Krems liegt nur einen Steinwurf entfernt. Seit Dezember 2021 ist Julia Nastl Head of International Operations bei Rhenus Logistics Austria.

Julia Nastl

Welche Erfahrungen haben Sie mit Kombinierten Verkehren gemacht? Schreiben Sie uns gern und teilen Sie den Artikel.

Benötigen Sie weitere Informationen?

Rhenus Logistics Austria: multimodale Transporte per LKW, Eisenbahn und Schiff

Mehr


Hinterlandtransporte im Kombinierten Verkehr

Mehr


Intermodale Logistik für ausgewählte Regionen

Mehr


Kommentare

Für diesen Artikel gibt es 0 Kommentare

Was denken Sie?

Bitte melden Sie sich an, um diesen Artikel zu speichern oder zu kommentieren.
Sie sind noch nicht angemeldet? Jetzt registrieren

Anmelden

Bitte melden Sie sich an, um diesen Artikel zu speichern oder zu kommentieren.
Sie sind noch nicht angemeldet? Registrieren

arrow_upward