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Wie die Energiewende gelingen kann

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Wilhelmshaven gibt den Takt vor

Die Energiewende in Deutschland ist eine Herkulesaufgabe, die nur gemeinsam gemeistert werden kann. Einer der Vorreiter ist der Standort Wilhelmshaven. Mit seinem jüngst gegründeten ENERGY-HUB zeigt er, wie der Weg zur CO₂-neutralen Energieversorgung in der Praxis aussehen kann. Größter Hoffnungsträger ist dabei grüner Wasserstoff.

Drehkreuz für Produktion und Import von Wasserstoff und seinen Derivaten

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stehen vor einer immensen Herausforderung: den Weg zur Klimaneutralität ebnen und die Versorgungssicherheit aufrechterhalten. Derzeit müsste Deutschland für eine vollständig CO2-neutrale Energienutzung 80 Prozent der benötigten Energie importieren. Doch dies könnte sich schneller ändern, als viele Expert*innen bislang vermutet hätten. Denn die konfliktreiche weltpolitische Lage beschleunigt auch viele Planungsvorhaben zum Import und der Produktion von Energie.

 

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So viel Energie verbrauchten 2021:

  • eine Waschmaschine: 200 kWh

  • ein E-Auto: 2.250 kWh

  • ein Zweipersonen-Haushalt: 3.500 kWh

  • ein Kohlekraftwerk in Wilhelmshaven: 800 mWh1

kWh = Kilowattstunde

mWh = Megawattstunde

Mit dem ersten Rammschlag hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Anfang Mai die Arbeiten für ein geplantes schwimmendes Terminal für Flüssigerdgas (LNG) in Wilhelmshaven eingeläutet. Bereits Ende dieses Jahres soll der erste Tanker anlanden. Doch die Versorgung mit Flüssigerdgas ist nur eine kurzfristige Lösung, um die Abhängigkeit Deutschlands von einzelnen Ländern abzufedern.

Um die Energieziele aus dem Pariser Abkommen erreichen zu können, sind viele Kraftanstrengungen nötig. Es stellt sich die Frage: Kann ein einzelner Standort wie Wilhelmshaven hierfür einen wesentlichen Beitrag leisten? Er kann, da sind sich die Akteure des im Oktober 2021 gegründeten ENERGY-HUB Port of Wilhelmshaven sicher. Unterstützt von der Bundes- und Landespolitik umfasst die auf mittlerweile 16 Mitglieder gewachsene regionale Initiative namhafte Unternehmen wie UNIPER, ArcelorMittal, Salzgitter AG, Storag Etzel und Rhenus sowie die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Wilhelmshaven.

Als Energiedrehscheibe ist Wilhelmshaven schon seit vielen Jahrzehnten bekannt – bislang jedoch eher für fossile Energieträger wie Kohle und Rohöl. So wird rund ein Viertel der bundesdeutschen Importe von Rohöl in der Stadt an der Jade umgeschlagen.2 Das soll sich künftig ändern. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies sieht Potenzial für Klimaschutz, Versorgungssicherheit, Wertschöpfung, Innovationsfähigkeit und zukunftsfähige Arbeitsplätze in der Region. Auf der ersten gemeinsamen Pressekonferenz des ENERGY-HUB bedankte er sich für das Engagement der Unternehmen, das Sprecher Uwe Oppitz, zugleich Geschäftsführer der Rhenus Ports, stellvertretend entgegennahm.

 

Ohne Wilhelmshaven wird die Transformation nicht gelingen.
Olaf Lies | Niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz

„Wilhelmshaven hat genau die Ressourcen und Potenziale, die unser Land mit Blick auf den Klimawandel zukünftig braucht“, ergänzte Oberbürgermeister Carsten Feist.

Neben einer guten logistischen Anbindung über Straße und Schiene sind dies vor allem großzügige verfügbare Flächen zur Gewerbeansiedlung und die Nähe zu erneuerbaren Energien, etwa in Form von Windstrom. Wilhelmshaven profitiert zudem vom einzigen deutschen Tiefwasserhafen, an dem große Energietanker anlegen können, sowie von bestehenden Leitungen und Wasserwegen, die für die Importinfrastruktur sowohl von Wasserstoff als auch von Flüssiggas genutzt werden könnten.

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Stichwort Energieträger

Wasserstoff und seine Derivate

Noch immer ist es schwierig, Wasserstoff in großen Mengen zu transportieren. Eine Alternative ist die Beförderung von Wasserstoff über Derivate wie etwa Methanol oder Ammoniak. Hierbei wird Wasserstoff molekular gebunden und kann später durch Spaltung als Energieträger wiedergewonnen werden.

Wasserstoffhauptstadt Deutschlands

Angst vor dem Wandel und einem zu schnellen Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien hat Oberbürgermeister Feist indes nicht. Er sieht große Chancen für Wilhelmshaven und die Region für Neuansiedlungen, die Innovationskraft für eine klimaneutrale Wirtschaft mitbringen.

 

Für die Energieversorgung der Zukunft gilt: Ohne Wilhelmshaven geht es nicht.
Carsten Feist | Oberbürgermeister der Stadt Wilhelmshaven

Dass es sich hierbei nicht um Wunschdenken handelt, belegt eine über sechs Monate angelegte Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IST. Der Studie zufolge besteht für die zukünftige Energieversorgung großes Potenzial. Fazit: Schon 2030 könnte die Hälfte der gesamten Wasserstoffversorgung Deutschlands über Wilhelmshaven gehen.3

Das Ergebnis der Studie ist ein Strategiedokument mit Handlungsempfehlungen, wie die Region Wilhelmshaven ihren beschleunigten Transformationspfad als integriertes, klimaneutrales Energiecluster gehen kann. Wilhemshaven wird so zur Drehscheibe für erneuerbare Energien sowie für klimafreundlichen Wasserstoff und dessen Derivate.

So könnte das künftige Wasserstoffcluster aussehen:

  • Zahlreiche Wasserstoffprojekte beteiligter Unternehmen bilden die Basis
  • Der Hafen Wilhelmshaven mit erschlossenen Flächen und guter nautischer Erreichbarkeit als Dreh- und Angelpunkt
  • Import von Wasserstoff in Form von Ammoniak und synthetischem Methan über den Seeweg
  • Import von Power-to-Liquid-Produkten mit den bestehenden Logistikkapazitäten
  • Lokale Produktion von Elektrolyseuren mit einer Gesamtleistung von 1,1 Gigawatt
  • Ziele bis 2030: Deckung von mehr als 50 Prozent des deutschen Wasserstoffbedarfs. Ein Viertel der Energieversorgung Deutschlands läuft über Wilhelmshaven.4

Über den Anschluss Wilhelmshavens an das Wasserstofffernleitungsnetz soll der Wasserstoff weitertransportiert und schließlich in ganz Deutschland und sogar an weitere europäische Länder verteilt werden. Die Voraussetzungen sind gut, denn das dichte Erdgasnetz in Nordwesteuropa bietet die Chance, Leitungen für den Wasserstofftransport umzuwidmen. Doch noch etwas macht Wilhelmshaven besonders: Im Umland befinden sich knapp 100 ehemalige Salzkavernen, die auf Wasserstoff umgestellt und mit über 22,5 Terawattstunden mehr als die Hälfte des deutschen Wasserstoffspeicherbedarfs decken könnten.

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Schon gewusst?

Grau, blau, grün – Wasserstoff ist nicht gleich Wasserstoff

Wasserstoff ist nicht per se umweltfreundlich. Grauer Wasserstoff basiert auf fossilen Brennstoffen und gibt eine große Menge CO2 ab. Auch blauer Wasserstoff basiert auf fossilen Brennstoffen. Hier wird das Kohlenstoffdioxid jedoch aufgefangen und unterirdisch gelagert. Mit dem höchsten Energieaufwand ist die Produktion von grünem Wasserstoff mittels Elektrolyse verbunden. Der Vorteil: Hierbei entstehen keine schädlichen Klimagase.

Doch nicht nur Wasserstoff soll in Zukunft eine wichtige Rolle spielen: Auch die Stromerzeugung aus on- und offshore-erzeugter Windenergie, Solarenergie und die Verarbeitung von Biomasse sollen Teil der Energie-Drehscheibe werden. Offshore-Strom kann in wenigen Jahren über die Trasse „NeuConnect“ nach Wilhelmshaven gebracht werden – es ist das erste Stromkabel von Großbritannien nach Deutschland. Auch der Transport und die Konversion von bei der Wasserstoffherstellung anfallendem Kohlenstoffdioxid könnten perspektivisch einen Beitrag zur Energiewende leisten.

Nicht nur Oberbürgermeister Feist, auch die Mitglieder des ENERGY-HUB sind überzeugt davon, dass die Region ein attraktiver Standort für energieintensive Industrie werden kann. Ein Beispiel: Namhafte Stahlhersteller arbeiten gemeinsam mit dem Energieunternehmen UNIPER sowie dem Logistikspezialisten Rhenus intensiv am möglichen Aufbau einer Produktion von Eisenschwamm zur Herstellung von Stahl, und dies auf Basis von grünem Wasserstoff.

Uwe Oppitz
Wilhelmshaven kann ein Leuchtturm der Energiewende sein. Sowohl regional als auch international.
Uwe Oppitz | Sprecher des ENERGY-HUB Port of Wilhelmshaven

Der am Standort des ehemaligen Steinkohle-Kraftwerks in Wilhelmshaven zu erzeugende Wasserstoff ließe sich zur Produktion von bis zu zwei Millionen Tonnen grünem Eisenschwamm pro Jahr einsetzen. So könnten über zwei Millionen Tonnen CO2 eingespart und der Transformationsprozess der Stahlindustrie in Deutschland verstärkt werden. „Die geplante Eisenerz-Direktreduktionsanlage wäre ein wichtiger lokaler Abnehmer von Wasserstoff und könnte ihre Produktion bis 2026 auf nahezu 100 Prozent Wasserstoffanteil hochfahren“, blickt Uwe Oppitz in die Zukunft.

Sie interessieren sich für die Arbeit des ENERGY-HUB Port of Wilhelmshaven? Dann besuchen Sie eine der nächsten Networking-Veranstaltungen. Der ENERGY-HUB präsentiert seine Arbeit am 29. Juni in Hannover, am 25./26. August in Gödens und am 21. September 2022 in Wilhelmshaven.

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Was es braucht, um Wilhelmshaven und weitere Regionen zu Energy-Hubs zu entwickeln, erfahren Sie in unserer Checkliste.

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1Vgl. Wirtschaftsfördergesellschaft Wilhelmshaven (Hg.): „ENERGY-HUB Port of Wilhelmshaven: Unser Beitrag zur Versorgungssicherheit heute und morgen“, S. 7, unter: https://www.yumpu.com/de/document/read/66811184/eine-welt-im-wandel-eine-stadt-in-bewegung (abgerufen am 05.05.2022)

2Vgl. Wirtschaftsfördergesellschaft Wilhelmshaven (Hg.): „ENERGY-HUB Port of Wilhelmshaven: Unser Beitrag zur Versorgungssicherheit heute und morgen“, S. 20, a.a.O. (abgerufen am 05.05.2022)

3Vgl. Deutsche Energie-Agentur (Hrsg.) (dena, 2022): Ergebniszusammenfassung „Energy Hub Port of Wilhelmshaven“, S. 4

4Vgl. Wirtschaftsfördergesellschaft Wilhelmshaven (Hg.): „ENERGY-HUB Port of Wilhelmshaven: Unser Beitrag zur Versorgungssicherheit heute und morgen“, S. 42, a.a.O. (abgerufen am 05.05.2022)

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