Carsten Hölzer, Geschäftsführer im Bereich Road Freight des internationalen Logistikdienstleisters Rhenus, ist verantwortlich für das Key Account und Tender Management in Europa. „Das Thema Nachhaltigkeit als Kriterium für die Zusammenarbeit gewinnt bei Kundenanfragen stark an Bedeutung“, berichtet der Logistikexperte im Interview.
Vorreiter in dieser Hinsicht ist allen voran die chemische Industrie, eine der Hauptbranchen, für die Hölzer mit seinem Team tätig ist. Schon in den 90er-Jahren hat sie die Entwicklung des sogenannten Safety and Quality Assessment System (SQAS) vorangetrieben. Diese fachspezifische Qualitätsnorm bewertet die Sicherheit und Umweltverträglichkeit beim Transport von Chemikalien und geht über die reine ISO-Zertifizierung hinaus. „Ohne eine entsprechende Auditierung ist es uns Logistikdienstleistern schlichtweg nicht möglich, für die Chemieindustrie tätig zu sein“, so Hölzer.
Und auch die Politik unterstützt zunehmend den Einsatz nachhaltiger Technologien, sowohl durch Subventionen als auch mithilfe gesetzlicher Vorgaben zur Verringerung von Schadstoff- und Lärmemissionen. Auf Basis solcher Vorgaben sind Logistikdienstleister immer wieder dazu angehalten, umweltfreundliche und gleichzeitig ökonomisch sinnvolle Alternativen zu konventionellen Antrieben zu finden.
Dass Diesel und Co. wohl kaum zukunftsfähig sind, liegt schon allein aus Kostengründen auf der Hand: Seit Beginn des Jahres 2022 haben die Preise für einen Liter Diesel erstmals die 2-Euro-Schwelle überschritten. Grund ist der Anstieg der Ölpreise aufgrund des drohenden Importstopps für russisches Erdöl. Dazu kommt die erhöhte Nachfrage im Aufschwung nach den wirtschaftlichen Einbrüchen während der Corona-Pandemie. Und nicht zuletzt tragen auch die aus Klimaschutzgründen gestiegenen CO2-Kosten dazu bei, dass die Preise weiter steigen.
Eine Alternative muss also her – und das möglichst schon heute. Hierzu setzt die Road Freight Deutschland mit ihrem Team bereits seit vergangenem Jahr zwei LNG-Fahrzeuge vorrangig bei nationalen Sammelguttransporten ein. Damit will sie die Vor- und Nachteile der ökologisch nachhaltigeren Antriebsart in der Praxis erproben. Dabei ist das Flüssigerdgas nicht nur wesentlich effizienter in Transport und Lagerung, sondern auch mit Blick auf die Zukunft sicherer verfügbar als das allmählich knapper werdende Erdöl.
Durch ihre identische Reichweite und Nutzlast im Vergleich zu konventionellen Lkw stehen die LNG-Fahrzeuge diesen auch in Sachen Leistung in nichts nach. Mit rund 15 Prozent weniger CO2-Emissionen und bis zu 70 Prozent weniger Ausstoß von Stickoxiden und Rußpartikeln sind sie wesentlich nachhaltiger. Hinzu kommen die wesentlich leiseren Motoren mit einer Lärmreduzierung um bis zu 50 Prozent. Das macht die Fahrzeuge nicht zuletzt für den Einsatz in innerstädtischen Lagen attraktiv.
Besonders in Ballungszentren wie dem Ruhrgebiet lohnt es sich, über die Anschaffung LNG-betriebener Fahrzeuge nachzudenken. Dabei hat Deutschland aktuell rund 100 LNG-Tankstellen bundesweit zu verzeichnen. „Das ist ein Infrastrukturnetz, mit dem man arbeiten kann“, findet Hölzer. Dennoch spricht er sich dafür aus, die Flüssigerdgas-Lkw eher punktuell gezielt auf bestimmten Linien einzusetzen. Denn nicht alle Routen sind geeignet für die nachhaltigere Transportmöglichkeit. Gerade im ländlichen Bereich weist das Netz an Tankstellen deutliche Lücken auf. „Fahrzeuge kreuz und quer durch die Landschaft zu schicken, macht wenig Sinn, da Tankmöglichkeiten vornehmlich in den Ballungszentren zu finden sind“, berichtet er.
Wer darüber nachdenkt, LNG-Fahrzeuge auch grenzüberschreitend einzusetzen, muss noch vorausschauender planen. Etwa 500 Tankstellen gibt es europaweit, doch die Infrastruktur ist je nach Land sehr unterschiedlich ausgebaut. Das macht eine komplexe Routenplanung unter Berücksichtigung verschiedenster Parameter wie Öffnungszeiten von Tankstellen, Straßensperrungen oder schwierigen Witterungsbedingungen unabdingbar. Anfragen von Kundenseite aus gibt es laut Hölzer allerdings schon jetzt, und aktuell prüft das Logistikunternehmen, inwiefern die eigenen LNG-Fahrzeuge auch auf den grenzüberschreitenden Linien genutzt werden können.
Konzepte für alternative Antriebe gibt es einige. Ob Elektroantrieb, Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe aus Biomasse: In Sachen Mobilität wird es nicht die eine Technologie geben, da jede ihre eigenen Vor- und Nachteile sowie Besonderheiten hat. So kommen E-Lkw schon jetzt auf Werksgeländen und in Containerterminals zum Einsatz – Stichwort „Green Logistics“ –, während sie für Langstrecken nur wenig geeignet sind. Hier fehlt es nicht nur an Infrastruktur, denn E-Ladesäulen sind teuer. Auch die Anschaffungskosten für die Fahrzeuge selbst sind rund dreimal so hoch wie die eines konventionellen Diesel-Trucks. Hinzu kommen lange Ladezeiten und zu geringe Reichweiten der Fahrzeuge.
Die Wasserstofftechnologie hingegen ist bei Weitem noch nicht ausgereift für den verlässlichen und flächendeckenden Einsatz. Beschäftigen sich aktuell allein 25 Hersteller mit dem Thema E-Mobilität, sind es beim Wasserstoff lediglich vier. Wann diese Antriebsart verlässlich und flächendeckend zum Einsatz kommt und ob sie sich am Ende auch im Markt durchsetzt, ist kaum vorherzusehen. Und letztlich hat auch Wasserstoff nicht nur Vorteile: Zum einen benötigt er in der Herstellung einen beträchtlichen Energieaufwand. Zum anderen sind die Kosten für Rohmaterialien wie Platin, die zur Herstellung von Brennstoffzellen benötigt werden, nicht gerade gering. Auch eventuelle Sicherheitsrisiken wie die hohe Entflammbarkeit des Stoffes gilt es noch zu beheben.
Für Hölzer ist LNG deshalb nicht nur eine schnell verfügbare, sondern auch hierzulande verlässlich einsetzbare Übergangslösung hin zur Klimaneutralität. „Auch wenn es vermutlich nur temporär zum Einsatz kommt, ist LNG die ideale Brückenlösung“, findet er. Dabei richtet er gleichzeitig den Blick auf die Zukunft und verfolgt mit seinem Team die Entwicklungen in Sachen Nachhaltigkeit stetig. „Obwohl wir als Logistikdienstleister keine eigenen Fahrzeuge besitzen, sehen wir es als unsere Aufgabe, uns möglichst breit aufzustellen. Mithilfe unserer Partner- und Tochterunternehmen entwickeln wir für jeden Kunden individuelle Lösungen für die unterschiedlichsten Anforderungen und sind in der Lage, die jeweils passenden Technologien zeitnah bereitzustellen.“
Sie interessieren sich für den Einsatz von LNG in Ihrem Fuhrpark? Hier geht es zu unserer Checkliste mit drei Dingen, die Sie wissen sollten.
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